Hechingen

Der Staatsschutz ermittelt nach der Grabschändung

14.06.2018

von Hardy Kromer

Übergeordnete Dienststellen der Kriminalpolizei fahnden nach den Tätern. Landesrabbiner Netanel Wurmser besichtigte gestern die Schäden in Hechingen.

Da läuft’s einem kalt den Rücken runter“, sagte Bürgermeister Philipp Hahn, als er am Donnerstagnachmittag die von antisemitischen Vandalen verursachten Grabschändungen auf dem Jüdischen Friedhof am Hechinger Stadtrand vor Augen hatte. Es sei „ein Zeichen besonderer Erbärmlichkeit, sich an einem Friedhof zu vergehen“.

Der Staatsschutz ermittelt nach der Grabschändung

© Hardy Kromer

Bedrückt vor dem Grabstein, der von unbekannten Übeltätern über die Mauer des Jüdischen Friedhofs geworfen und zerstört wurde: Landesrabbiner Netanel Wurmser (Mitte), Bürgermeister Philipp Hahn, Architekt Stefan Schädel (links) und Iris Fromm-Kaupp vom Landesdenkmalamt.

 

Bei dem Vor-Ort- Termin war Hahn in Begleitung von Landesrabbiner Netanel Wurmser von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. Mit dabei waren auch Hechingens Polizeichef Wolfgang Heller, Stadtbaumeisterin Helga Monauni, Iris Fromm-Kaupp, die zuständige Gebietsreferentin vom Landesdenkmalamt, und Architekt Stefan Schädel vom Büro Strebewerk, der die Sanierungsarbeiten auf dem Jüdischen Friedhof leitet.

Wolfgang Heller war gekommen, um über den Stand der polizeilichen Ermittlungen zu berichten, nachdem unbekannte Täter in der Nacht von Freitag auf Samstag auf dem Friedhof einen Grabstein umgestoßen und dadurch zerstört und ein weiteres, kleineres Grabdenkmal in der Mitte halbiert und eine Hälfte mit roher Gewalt über die Friedhofsmauer geworfen hatten. „Jüdische Einrichtungen“, so referierte Heller aus Erfahrung, „sind im Fokus des rechten Spektrums“. Wegen dieses möglichen politischen Hintergrundes der Tat habe das Polizeirevier Hechingen die Ermittlungen inzwischen an die Kriminalpolizei, genauer gesagt an den Staatsschutz, abgegeben.

Ermittelt, so Heller, werde gegenwärtig „ganz offen in alle Richtungen“. Die dünne Spurenlage biete keine große Ausbeute, um die Ermittlungen in eine gezielte Richtung zu lenken. Es gebe, so Heller, keine konkreten Hinweise auf eine Tat aus dem rechten Spektrum. Wie berichtet, haben die Täter – anders als bei den Grabschändungen in den Jahren 1990 und 1993 – keine rechten Parolen oder Symbole hinterlassen. Auch mögliche Parallelfälle liefern gegenwärtige keine Indizien. Momentan, so Heller, handle es sich um „eine Einzeltat in der Region“.

Auch wenn die Aussicht gering erscheint, dass die Nacht-und-Nebel-Täter ermittelt werden, zeigte sich Bürgermeister Philipp Hahn im Namen der Stadt „dankbar, dass die Polizei mit Nachdruck ermittelt.“ Es sei erschütternd genug, welche kriminelle Energie aus der Tat spreche. Die beiden zerstörten Grabsteine, die durch die Freveltat entzwei gerissen wurden – der eine längs, der andere quer – sollen im Zuge und mit den Mitteln der aktuellen Sanierungsmaßnahmen restauriert werden. Dafür holte sich Denkmalpflegerin Iris Fromm-Kaupp das Okay des Landesrabbiners, der gestern betroffen vor den Bruchstücken stand.

Noch wichtiger als diese konkrete Schadensbehebung ist Netanel Wurmser aber die gesamte Sicherung der Grabstätten auf dem Jüdischen Friedhof der Stadt Hechingen. Deshalb hatte er den Besuchstermin fix gemacht, schon bevor er von dem betrüblichen Vorfall erfahren hatte. Mit großem Nachdruck mahnte er bei Architekt Schädel die baldige Sicherung des Hanges oberhalb des Friedhofes am Fichtenwäldle an. „Wenn der Hang runterkäme, wäre das eine Katastrophe“, betonte Wurmser.

Der Bauleiter versicherte dem Rabbiner, dass man die heikle Geländesituation im Blick habe. Die Forstbehörde habe oberhalb des Friedhofs schon einige Bäume fällen lassen, damit man sich mit Baumaschinen Zugang verschaffen könne. Sobald alle baurechtlichen Hürden (Artenschutz! Entwässerung!) genommen seien, könne man – spätestens 2019 – die obere Mauer in Angriff nehmen.

Im ersten Bauabschnitt, der bereits läuft, sanieren Arbeiter die Umfassungsmauer im unteren Bereich. „Die Arbeiten kommen gut voran“, versicherte Stefan Schädel. Das hörte auch der Bürgermeister gerne.

Ausdrücklich betonte Philipp Hahn, es sei das Verdienst seiner Vorgängerin Dorothea Bachmann, dass sich die Stadt Hechingen seiner jüdischen Geschichte mehr und mehr bewusst werde und die Sanierung der Friedhofsmauer angegangen worden sei, nachdem man diese jahrzehntelang habe verfallen lassen. Eine halbe Million Euro steht für die Maßnahme zur Verfügung. Davon stellt das Landesdenkmalamt 400 000 Euro.

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