Sigmaringen

Prozess nach tödlicher Hunde-Attacke

29.05.2018

von Petra Walheim

Nach der tödlichen Hundeattacke in Frohnstetten vor einem Jahr müssen sich seit Dienstag die Hundehalterin sowie deren Ex-Ehemann vor Gericht verantworten. 

Prozess nach tödlicher Hunde-Attacke

Auf einem Schleichweg zwischen zwei Wohnhäusern hatte der Kangal die Rentnerin angefallen und getötet. Foto: Benno Schlagenhauf/Archiv

Eine 72 Jahre alte Frau geht am Abend des 30. Mai 2017, es war ein heißer Tag, nach anstrengender Gartenarbeit in Frohnstetten, einem Ortsteil von Stetten am kalten Markt (Kreis Sigmaringen) , noch eine Runde spazieren. Sie wählt als Strecke einen kleinen Verbindungsweg, der zwischen Häusern vorbeiführt. Als sie an einem alten Haus vorbeikommt, wird sie gegen 20 Uhr von einem großen Hund attackiert und an Hals und Kopf so schwer verletzt, dass sie kurz darauf an ihren Verletzungen stirbt.

Die Hundehalterin Erika S. und ihr Ex-Ehemann Gerd S. müssen sich nun im Amtsgericht Sigmaringen für diese tödliche Attacke verantworten. Beide sind wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

Erika S., von deren Grundstück aus der Kangal Rascon die Frau angefallen hatte, lebte dort seit 2012 mit einem Mischlingshund und etwa 20 Katzen. Das Anwesen wurde mehrfach als verdreckt und vermüllt beschrieben. In der näheren Umgebung des Hauses war offenbar bekannt, dass die zwei Kangals , die im Lauf der Zeit dazu kamen, „kritisch“ seien. Passanten wurden immer wieder von ihnen verbellt und verhielten sich aggressiv.

Der Verteidiger von Erika S. legte dar, seine Mandantin lebe seit 2009/2010 von ihrem Mann getrennt, sei arbeitslos, lebe von Hartz IV und sei seit der tödlichen Attacke unter anderem wegen Depressionen nicht mehr arbeitsfähig. „Sie bedauert zutiefst, was geschehen ist“, sagte der Anwalt. Sie habe nie gedacht, dass so etwas geschehen könnte. Auch Gerd S. entschuldigte sich beim Witwer für die Attacke.

Erika S. war von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, dass das Grundstück für das Halten so großer Hunde völlig ungeeignet ist. Der Verteidiger sprach seiner Mandantin durchaus Hunde-Erfahrung zu, weil der Mischlingshund zehn Jahre bei ihr lebte. Er und die beiden Kangals wurden nach der tödlichen Attacke von der Polizei und von Jägern erschossen.

Den ersten Kangal Bosso hat Erika S. von ihrem Mann übernommen. Der hatte ihn von seinem Arbeitgeber, einem Autohändler aus Straßberg, geschenkt bekommen, so schilderte es Gerd S. Der Autohändler habe mit mehreren Kangals sein Betriebsgelände gesichert. Den Kangal habe er loswerden wollen, weil er gesundheitlich in schlechtem Zustand war. Gerd S. übernahm den etwa 70 Kilogramm schweren Hund und brachte ihn seiner Ex-Frau. 

Bosso sei mit dem Mischling gut ausgekommen, nicht aber mit den Katzen, deshalb sei er in einem anderen Teil des Hauses untergebracht gewesen. Er wurde als nicht aggressiv beschrieben. 2016 hat Gerd S. im Auftrag des Autohändlers, bei dem er gelegentlich und aushilfsweise arbeitete, denn auch er ist arbeitslos, aus Frankreich einen Kangal-Welpen geholt.

Damit war der Autohändler aber offenbar nicht zufrieden und bat Gerd S. , das Tier wieder zurückzubringen. Da der aber Rückenprobleme hat und lange Autofahrten nicht gut verträgt, bat er den Autohändler, den Hund behalten zu dürfen. Am 5. Mai 2017 brachte Gerd S. den Hund, der da bereits 57 Kilogramm wog, so viel wie Gerd S. selbst, zu seiner Ex-Frau nach Frohnstetten. Die hatte begonnen, den Garten vor dem Haus mit einem blickdichten Zaun zu sichern, damit der Kangal die Passanten nicht mehr verbellt und die Passanten den Hund nicht mehr reizen konnte, was immer wieder vermutet wurde. 

Erika S. nahm den Kangal übergangsweise auf. Gerd S. wollte für den Hund einen neuen Besitzer suchen und ihn baldmöglichst abgeben. Doch die Suche zog sich hin. Nach Darstellung des Verteidigers von Erika S. vertrugen sich die beiden Kangals nicht, weshalb sie getrennt untergebracht werden mussten. An diesem 30. Mai 2017, so wurde es heute dargestellt, verließ Erika S. mit dem Bus um 6.55 Uhr Frohnstetten, weil sie angeblich zum Job-Center musste. 

Davor habe sie den Kangal Rascon im Garten mit seinem Halsband an einer Kette gesichert. Die Kette sei 4,5 Meter lang gewesen. Der Weg bis zum 1,20 Meter hohen Zaun betrug 5 Meter. Sie habe gegen 18 Uhr zurück sein wollen, sagte Erika S. Doch das war sie nicht. Die Hunde waren von 7 Uhr bis 23.30 Uhr sich selbst überlassen.

Unterwegs habe sie, Erika S., mitbekommen, dass in Frohnstetten etwas Schlimmes geschehen sei. Deshalb habe sie sich per Bus auf den Heimweg gemacht. „Sie stand erkennbar unter Alkoholeinfluss“, sagte ein Kripobeamter, der als Zeuge vernommen wurde. Bei ihrer Ankunft in Frohnstettten habe sie 0,7 Promille Alkohol im Blut gehabt. 

Die Ermittlungen haben ergeben, dass das Halsband des Kangals brüchig und porös war. Es riss, als der Hund auf die Frau losging. Der Zaun konnte ihn nicht aufhalten. „Ein 1,20 Meter hoher Zaun ist für einen Hund dieser Größe kein Hindernis, sagte  der Kripo-Beamte. Ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass in dem Haus derart gefährliche Hunde leben, sagte der Witwer der getöteten Frau. „Sonst hätte sie einen großen Bogen darum gemacht.“

Zu der Zeit, als seine Frau sich zum Spaziergang aufmachte, habe er Besorgungen gemacht, sagt der Mann, der in dem Prozess als Nebenkläger auftritt. Als er zurückkehrte, habe er den Menschenauflauf gesehen, der sich an der Straße gebildet hatte. Da sei ihm schon die Polizei entgegengekommen. „Ich musste meine Frau identifizieren“, sagte Wolfgang H. „Das war ein Alptraum. Es war alles voller Blut.“

Der Witwer hat mit dem schrecklichen Tod seiner Frau noch immer zu kämpfen. „Ich weiß nicht, wie ich damit zurecht kommen soll“, sagte er. Er fordert, dass so große Hunde angeleint werden und die Hundehalter einen „Hunde-Führerschein“ machen müssen.

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