Zillhausen

„Kein Herz aus Stahl“

08.05.2018

Der ehemalige Bodyguard Michael Stahl leitete erst ein Seminar, um danach in der Veranstaltungsreihe „Gespräch am Turm“ vom Wendepunkt in seinem Leben zu erzählen.

Dass zwei Veranstaltungen mit unterschiedlicher Zielgruppe und unterschiedlichem Schwerpunkt mit dem gleichen Referenten am gleichen Tag unter einen Hut zu bringen sind, bewies Michael Stahl, Fachlehrer für Selbstverteidigung, der in der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Zillhausen zu Gast war und ein praktisches Training leitete, bevor er anschließend im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gespräch am Turm“ einen Vortrag hielt.

„Kein Herz aus Stahl“

© Privat

Der ehemalige Bodyguard Michael Stahl (rechts) beeindruckte mit Übungen und Worten.

Dem ehemaligen VIP-Personenschützer (zum Beispiel Papst Benedikt, Muhammed Ali) ging es in erster Linie darum, zu vermitteln, wie man in Gefahrensituationen körperliche Auseinandersetzungen verhindern kann. „Schläge, vor allem ins Gesicht würden bedeuten: ‚Ich mache dich klein‘.“ Sollten Eltern je ihr Kind im Affekt ins Gesicht geschlagen haben, sollten sie um Vergebung bitten, betont er. Er habe in 15 Dienstjahren trotz aller Bedrohungen nie zuschlagen müssen. Dazu müsse man aber wissen, welche Signale etwa von der Körperhaltung, dem Händedruck oder dem Blick ausgingen. Wichtig war der Hinweis auf bestimmte unbewusste Bewegungen, die in spannungsgeladenen Situationen die Gewaltbereitschaft des Aggressors verraten und einen körperlichen Angriff ankündigen, oder dass man als Helfer in einer Auseinandersetzung nie den Schläger angehen, sondern das Opfer wegziehen soll, um sich ihm helfend zuzuwenden.

Den rund 70 vorwiegend jugendlichen Teilnehmern bereitete es großen Spaß, sich auf die mit großer Lockerheit und Humor angeleiteten Übungen einzulassen. Es ging dabei nicht um Kampftechnik („viel zu gefährlich in diesem Rahmen!“, so Stahl), sondern um Schnelligkeit, Koordination, Vertrauens- und Abwehrübungen.

„Kein Herz aus Stahl“ war am Abend Thema des Vortrags von Michael Stahl. Sehr offen berichtete er über seine leidvolle Kindheit in ärmlichen Verhältnissen und ließ die zahlreichen Zuhörer tief in sein Herz blicken, als er von den Demütigungen und Verletzungen durch seinen trunksüchtigen Vater erzählte und von seiner Sehnsucht nach liebevoller Zuwendung, die er aber nie erfahren durfte. Ein kleines Bild mit dem gemarterten Jesus war damals seine Zuflucht.

Als die Verhältnisse unerträglich wurden, lebte er einige Monate auf der Straße.

Seine Entscheidung für den Kampfsport und den Beruf des Personenschützers deutet er heute als Folge seines damaligen Lebensgefühls: Mein Leben ist Kampf und ich bin ungeschützt.

Dieses Gefühl habe er auch noch zu Zeiten empfunden, als er als Bodyguard einen sehr kompetenten Eindruck gemacht hätte. Aber in seinem Leben gab es einen Wendepunkt. Er drückte es so aus: „Mein Herz wurde von Gottes Liebe gesund geliebt.“ Aufgrund seines Glaubens suchte er von sich aus die Versöhnung mit seinem Vater. Trotz der Vergangenheit sprach er ihm seine Wertschätzung, Liebe und Vergebung zu und erlebte, wie sehr sich sein Vater in der Folgezeit veränderte.

Er appellierte eindringlich an seine Zuhörer, in Beziehungen unbedingt immer wieder die gegenseitige Liebe auszusprechen. Für heile Beziehungen seien vier Arten der Vergebung nötig: Man brauche die Vergebung Gottes, man müsse sich selbst vergeben und wertschätzend mit sich selbst umgehen können, man müsse anderen vergeben, die einem wehgetan hätten und man müsse selbst andere um Vergebung bitten.

Michael Stahl gründete vor einigen Jahren eine Sportschule, in der Gewaltprävention und Selbstverteidigung gelehrt wird. Für seinen wertevermittelnden Einsatz zum Beispiel in Schulen, Gefängnissen oder Heimen wurde er mehrfach ausgezeichnet.

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