Sigmaringen

Eine Frage der Formulierung

19.03.2018

von Michael Würz

Innenminister Thomas Strobl verteidigt sich vehement gegen Kritik: Der Einsatz verdeckter Ermittler in Sigmaringen sei nicht geplant gewesen. Doch der Fall könnte heikler sein als bislang bekannt.

Der kuriose Einsatz, den ein erfahrener Polizeibeamter unserer Zeitung schildert, liegt bereits einige Zeit zurück: Polizisten stürmen eine Wohnung im Raum Sigmaringen, nehmen mehrere Männer, die an einem Tisch sitzen, fest. Die Ermittler fesseln sie etwas rüde mit Handschellen. „Mit den Händen auf dem Rücken“, erinnert sich der Beamte. Was die Polizisten zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Sie haben in diesem Moment einen Kollegen des Landeskriminalamts verhaftet. Einer, der den Dealern bereits auf der Spur war. Und vor allem: näher dran. Im Rückblick eine peinliche Situation aus Sicht des Polizeibeamten, der aber auch sagt: „Einsatztaktisch ist es meistens besser, wenn wir selbst gar nicht wissen, wo die Kollegen der MoRF gerade aktiv sind.“

Die Rauschgiftfahnder des LKA

MoRF, das ist die – in der Öffentlichkeit kaum bekannte – Mobile Rauschgiftfahndung des Landeskriminalamts. Ihre Aufgabe, so schildert es das LKA auf seiner Facebookseite: die Observation der Rauschgiftszene von innen. Vieles spricht dafür, dass Innenminister Strobl den Einsatz genau dieser Ermittler gemeint hatte, als er – wie auch der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß (beide CDU) – am 9. März das neue Sicherheitspaket für Sigmaringen in einer Pressemitteilung öffentlich gemacht hatte. Daran gab es harsche Kritik. Verantwortungslosigkeit, sogar Geheimnisverrat wurden Strobl vorgeworfen.

Eine Frage der Formulierung

© Thomas Warnack

Streifenwagen der Polizei rücken vom Gelände der LEA Sigmaringen ab.

Sie sollen, das berichten Polizeibeamte bei Recherchen des ZOLLERN-ALB-KURIER unabhängig voneinander, nachweisen, was die Staatsanwaltschaft zur Bedingung für Haftbefehle macht: dass Tatverdächtige bestimmte Mengen Rauschgift verkaufen. Und dabei wohl auch herausfinden, ob es bei Dealern im Park bandenmäßige Strukturen gibt. Dann können die Ermittlungsbehörden schneller zuschlagen, den Tätern drohen empfindlichere Strafen. So wie im Juli 2016, als in Mannheim über 300 Polizisten in einer groß angelegten Aktion gegen Dealer vorgegangen sind, die an der Neckarpromenade und in der Innenstadt mit Drogen gehandelt haben sollen.

Die Ermittler hatten seinerzeit 41 Haftbefehle in der Tasche, die sie vorwiegend in Asylunterkünften vollstreckt haben – ein Erfolg auch ebenjener MoRF, wie aus Mannheimer Polizeikreisen zu erfahren ist. Sollte der nächste große Schlag in Sigmaringen stattfinden? Vom Einsatz der spezialisierten Rauschgiftfahnder im Prinzenpark spricht unserer Zeitung gegenüber jedenfalls auch ein LKA-Beamter, dem zufolge die Behörde nach der Veröffentlichung der umstrittenen Pressemitteilung bereits am Montag, 11. März, eilig Gespräche einberufen habe.

Wer ist verdeckter Ermittler?

Wörtlich war in der Mitteilung, für die Strobl nun in der Kritik steht, von „verdeckten Kräften des Landeskriminalamts“ die Rede. Hat der Innenminister damit den Einsatz verdeckter Ermittler preisgegeben? Nein, zumindest nicht im Wortsinne, sagen selbst diejenigen, die nicht im Verdacht stehen, dem CDU-Mann besonders nahezustehen – der Verein PolizeiGrün mit Sitz in Freiburg, zum Beispiel. Rein formal handele es sich bei verdeckten Ermittlern um Beamte, die falsche Identitäten annehmen, sich damit ins Rotlicht- oder Rockermillieu einschleusen, Terroristen bekämpfen oder politischen Extremisten zu Leibe rücken. Schwerstkriminalität in allen Ausprägungen.

Eine Frage der Formulierung

© Susanne Grimm

Winterlich idyllisch: der Sigmaringer Prinzenpark am Dienstagnachmittag. Mit der wärmeren Jahreszeit, ist die Polizei sicher, kommen die Dealer zurück. Dann könnten auf den Bänkle wie diesem LKA-Ermittler sitzen – das jedenfalls war der Plan, den der Innenminister indiskret veröffentlicht hatte.

„Bräuchten wir hier echte verdeckte Ermittler in Sigmaringen, hätten wir ganz andere Probleme“, sagt auch ein Beamter, der in Sigmaringen Streifendienst schiebt. Dass Strobls Indiskretion dennoch ein fataler Fehler gewesen sei, betonen fachkundige Beamte gleichwohl. Und Steffen Mayer, Baden-Württemberg-Chef beim Bund Deutscher Kriminalbeamter, mahnt: „Wenn Drogendealer von verdeckten Ermittlungen erfahren, kommt es vor, dass sie sich mit Messern oder Pistolen ausrüsten.“ Zudem würden sie Gegenobservationen starten, um ihrerseits Polizeibeamte als solche zu identifizieren.

Ermittlungen seit Monaten

Redet man dieser Tage mit Polizeibeamten in Sigmaringen, erfährt man auch übereinstimmend aus erster Hand: Polizeibeamte, die inkognito den Prinzenpark observieren, waren bereits im vergangenen Jahr im Einsatz. Auswärtige, vor Ort unbekannte Kollegen des Polizeipräsidiums Einsatz (ehemals Bereitschaftspolizei) forschten demnach Drogenumschlagplätze aus. Ist die Ankündigung Strobls also ohnehin ein alter Hut?

Mitnichten, betonen erfahrene Beamte. Handele es sich bei dem geplanten Einsatz um einen der Mobilen Rauschgiftfahndung, dürfte dieser keinesfalls gefährdet werden, sagt einer: „Die Einsätze sind Geheimsache. In der Regel erfahren selbst wir nichts Genaues dazu.“ Die bisherige Darstellung Strobls, es handele sich „nur“ um Polizeibeamte in zivil – aus Sicht vieler Beamten wäre das dann höchstens die halbe Wahrheit. Auch dann, wenn es sich bei den MoRF-Leuten nicht um „echte“ verdeckte Ermittler handelt.

Die Opposition im baden-württembergischen Landtag drängt weiterhin auf Aufklärung. Strobl soll am Mittwoch in einer Landtagsdebatte erneut Rede und Antwort in Sachen „Kommunikationspanne“ stehen.

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