Messstetten

Falscher Eindruck sorgt in Meßstetten für Frust

19.01.2018

von Gudrun Stoll

„Wenig glücklich“ zeigt sich der Abgeordnete Andreas Glück (FDP) über die Politik des Ministers. Mit Kommentar.

Die SPD-Landtagsfraktion hat Post erhalten. Auch den Antrag der FDP, die ebenfalls wissen wollte, nach welchen Kriterien geprüft wurde, an welchen Standorten zukünftig die Ausbildung der Polizei stattfinden soll, hat das Innenministerium beantwortet.

Falscher Eindruck sorgt in Meßstetten für Frust

Das ehemalige Kasernengelände in Meßstetten steht aktuell leer. Archivfoto: Gudrun Stoll

Wie bereits berichtet, wollen sich die Sozialdemokraten mit der Begründung nicht zufrieden geben. Deren innenpolitischer Sprecher Sascha Binder wertet die Standortentscheidung für Wertheim als undurchsichtig und nicht nachvollziehbar. Zumal das Ministerium auf eine Berechnung der Kosten für den möglichen Alternativstandort Meßstetten von vorne herein verzichtet habe. Die Landtagsfraktion will daher den Innenausschuss einschalten. Souverän agiere Innenminister Thomas Strobl (CDU) in der Sache nicht, kritisieren auch der FDP-Fraktionschef Dr. Hans-Ulrich Rülke und der innenpolitische Sprecher Prof. Dr. Ulrich Goll die offensichtliche Geheimnistuerei.

Die Liberalen haben ihren Antrag an die Landesregierung mit 13 Fragen gespickt. Erneut gibt da Ministerium in seiner Antwort keine Zahlen preis.

Bei Andreas Glück, FDP-Landtagsabgeordneter aus dem Nachbarwahlkreis Hechingen-Münsingen, stößt das Verhalten des Innenministers auf Befremden. „Auf der Alb verträgt man das direkte Wort, auch bei der Frage der Polizeischule“, reagierte er gestern auf den beantworteten Antrag. Andreas Glück bezeichnet die Entscheidung des baden-württembergischen Innenministers, die Ausbildungsstätte der Polizei nicht in der ehemaligen Zollernalb-Kaserne in Meßstetten unterzubringen, als „wenig glücklich.“

Ganz offenbar habe die Landesregierung in Meßstetten nach deren weit überregional gewürdigten Aufnahme- und Integrationsbereitschaft im Zuge der Unterbringung Tausender Flüchtlinge einen falschen Eindruck erweckt.

Erwartungen waren hoch

Die Erwartungen, dass dort eine Ausbildungsstätte der Polizei einzieht, so Glück, „waren hoch“. Es sei sehr schade, wenn viele Menschen in Meßstetten jetzt frustriert sind. Daher sollte man in Stuttgarter Ministerien an Verständlichkeit und klarer Linie arbeiten. Er werde sich jedenfalls dafür einsetzen, dass jetzt nicht noch mehr Enttäuschung entsteht und „dass der angekündigte Gesprächsprozess zur Nachfolgenutzung des Geländes in Meßstetten zügig und eindeutig eine klare Perspektive bringt“.

Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft erhielt im November 2017 von Innenminister Strobl die Zusage, dass die Liegenschaft in Meßstetten im Prüfverfahren für die Standortsuche enthalten sei.

Auf die Anfrage, wie die einzelnen geprüften Standorte die Kriterien jeweils erfüllt oder nicht erfüllt haben, hat die FDP folgende Antwort erhalten: „Der Ausbau der bestehenden landeseigenen Ausbildungsstandorte Lahr, Biberach und Villingen-Schwenningen erwies sich nach Prüfung. . . als sinnvoll und wirtschaftlich. Darüber hinaus wurde der in der Vergangenheit bereits durch die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg genutzte landeseigene Standort Wertheim nach Abwägung der Kriterien von den geprüften Standorten als geeignetster zusätzlicher Standort identifiziert“. Die Liegenschaft stehe nach Auszug der zwischenzeitlich dort untergebrachten Flüchtlinge seit dem 30. September 2017 weitestgehend leer. Kein Wort fällt in dieser Passage zu Meßstetten.

Auch dort herrscht seit dem Auszug der letzten Flüchtlinge im Herbst 2017 Leerstand in der Kaserne. Die BImA als Verwalterin der bundeseigenen Liegenschaft wäre zu Verhandlungen über eine Verlängerung des Mietvertrages mit dem Land bereit gewesen. Doch über eine generelle Anfrage und eine Begehung der Kaserne hinaus hat es keinen weiteren Informationsaustausch gegeben.

Kommentar: Es gibt keine Alternative

Die Beraterin des amerikanischen Präsidenten hat den Begriff „alternative Fakten“ erfunden. Sie rechtfertigte mit dieser Formulierung eine falsche Aussage des ehemaligen Pressesprechers im Weißen Haus. Dieser hatte behauptet, bei der Amtseinführung Donald Trumps seien mehr Menschen vor Ort gewesen als bei jener von Barack Obama im Jahr 2009. Dies wurde durch Luftaufnahmen widerlegt. Die sprachkritische Jury der TU Darmstadt hat den Begriff zum Unwort der Jahres 2017 gekürt und legt die Finger in eine Wunde, die auch Journalisten schmerzt. Um die Leser richtig zu informieren, benötigen die Berichterstatter echte Fakten, Aussagen, die Hand und Fuß haben und belegbar sind.

Mit dem Leitsatz „Fakten, Fakten Fakten“ hat Helmut Markwort einst das Nachrichtenmagazin Focus auf dem deutschen Medienmarkt erfolgreich positioniert. Fakten, Fakten und nochmals Fakten werden immer wichtiger in einer Welt, die zunehmend schneller und unübersichtlicher wird. Spiegel online thematisiert in einem lesenswerten Artikel die Folgen dieser schwindel-erregenden Gesellschaft, die Ordnungsinstrumente benötigt, um nicht auseinander zu fallen und, wie Soziologen warnen, Gefahr läuft, post-demokratisch zu werden.

Wir brauchen Fakten, Fakten und nochmals Fakten zu politischen Entscheidungen. Damit diese nachvollziehbar und begründet sind. Im Amerika des Donald Trump ebenso wie in Deutschland, in Baden-Württemberg, ja auch in einer kleinen Stadt wie Meßstetten. Alles andere nährt Verdruss, wachsendes Misstrauen gegenüber der Politik, im schlimmsten Fall die Abkehr von der Demokratie.

Man stelle sich vor, ein Bürgermeister müsste Schulen oder Kindergärten schließen und würde bei der Auslese jene Einrichtung vorziehen, die eines seiner Kinder besucht. Ohne seine Entscheidung mit Fakten zu begründen. Kein Gemeinderat würde ein solches Verhalten dulden. Warum also sollte man im Meßstetter Rathaus tolerieren, dass aus dem Innenministerium des Landes nach wie vor keine einzige Kostenberechnung vorgelegt wird, aus der hervorgeht, warum sich das Kasernengelände als Standort für eine Polizeischule nicht eignen würde. Es geht im ganzen Streit nicht nur um die Frage warum Wertheim und nicht Meßstetten das Rennen um die Zusage des Innenministers gemacht hat.

Es geht vielmehr um die Frage, ob Bürgermeister, Gemeinderäte und Bürger den Politkern noch (ver) trauen können. Diese müssen ihr Handeln und Tun durch echte Fakten untermauern. Denn eine Alternative dazu gibt es nicht.

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