Bitz/Winterlingen

Windkraftgegner sehen Recht und Moral aufs Übelste verletzt

10.01.2018

von Gudrun Stoll

Die Bürgerinitiative klagt in einem offenen Brief an die Behörde über Ungereimtheiten der Gutachten.

Über die Feiertage herrschte Burgfrieden, nun kämpft die Bitzer Bürgerinitiative weiter gegen den geplanten Windpark auf Winterlinger Gemarkung.

In einem offenen Brief an das Landratsamt in Balingen weisen die Vorstände auf Ungereimtheiten im Gutachten der Gemeinde Bitz zur Greifvogelsituation hin. Unterzeichnet ist der offene Brief von Walter Beck, Jochen Lottermoser und Günter Beck. Eine Mehrfertigung des Schreibens ging an den Bürgerbeauftragten der Landesregierung, an den von der Initiative angerufenen Petitionsausschuss des Landes und an das Regierungspräsidium Tübingen. Im Schrieben heißt es: „Die Bitzer Bürgerinitiative (BBI-WK) hat immer wieder bemängelt, dass das Planungsbüro Dr. Grossmann, bis auf wenige Ausnahmen, speziell die artenschutzrechtlichen Prüfungen/Gutachten im Rahmen seines Bauantrags selbst gefertigt hat.“

Mehrfach habe die Initiative in diesem Zusammenhang auf die ihrer Meinung nach tendenziösen Darstellungen, insbesondere auf dem gesamten Feld des Artenschutzes, hingewiesen. Dem Winterlinger Widerspruchsführer Herbert Bitsch sei nun bei der Vorbereitung seiner Klage für das Verwaltungsgericht aufgefallen, dass mit der Beauftragung von Diplombiologe Jonas Scheck durch die Gemeinde Bitz zur Erstellung eines Gutachtens für die Greifvogelsituation der „Bock zum Gärtner“ gemacht wurde.

Zur Erinnerung: Herbert Bitsch erhebt beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Anklage und ficht die immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung vom 9. Dezember 2016 des Landratsamtes Zollernalb an. Er beantragt, diese Teilgenehmigung zur Aufstellung und zum Betrieb von vier Windkraftanlagen auf der Gemarkung Winterlingen sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. November 2017 aufzuheben.

Bei der Vorbereitung der Klage sei ihm aufgefallen, dass ausweislich der Baugesuchsunterlagen Jonas Scheck vom Büro Dr. Grossmann dort als Mitarbeiter für Avifauna geführt werde. Die Bürgerinitiative leitet daraus ab, dass Jonas Scheck auf der Gehaltsliste des Büros Grossmann geführt werde. „So nimmt es nicht Wunder, dass von ihm (im Bitzer Gutachten) nur bestätigt wird, was von „seinem“ Planungsbüro zum Artenschutz für das Büro Dr. Grossmann verfasst wurde“, schlussfolgern die Projektgegner in ihrem Schreiben. Den Mitarbeitern des Landratsamtes und der Genehmigungsbehörde hätte diese unglaubliche Situation auffallen müssen.

Im offenen Brief heißt es weiter: „Wir haben bereits schon früher im Fall NABU reklamiert, dass dieser ebenfalls vom Büro Dr. Grossmann als Mitarbeiter und damit unseres Erachtens auf der Gehaltsliste aufgeführt wurde. Der NABU durfte dann gegenüber dem Landratsamt das unter seiner Mitwirkung erstandene Gutachten auch noch als völlig in Ordnung bestätigen. Was müssen wir noch alles an Ungereimtheiten und zweifelhaften Machenschaften – bis hin zur Täuschung – im Zusammenhang mit Baugesuch aufdecken, um klar zu machen, dass hier nicht nur moralische Ansprüche aufs Übelste verletzt wurden, sondern auch rechtlich höchst fragwürdige Vorgänge ohne Beanstandungen durch das Balinger Landratsamt geblieben sind?“ fragen die Verfasser des Schreibens. Sie erwarten nun, „dass dem von uns in Auftrag gegebenen und vorgelegten Gutachten der neutral und wissenschaftlich korrekt agierenden Frau Dr. Gschweng die Bedeutung beigemessen wird, die dazu führen muss, dass in dem Vorhabengebiet nicht ein einziges Windrad gebaut werden darf“.

Die Behörden werden aufgefordert, die erteilte Teilbaugenehmigung jetzt zurückzunehmen. Die Bürgerinitiative jedenfalls will sich weitere, auch rechtliche Schritte vorbehalten, „um diese dubiosen Vorgänge im Zusammenhang mit diesem Windräderprojekt anzuzeigen“.

Wir haben gestern per Mail dem Planungsbüro Grossmann Gelegenheit gegeben, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern, aber noch keine Antwort erhalten. Das Landratsamt in Balingen hat reagiert.

Wir haben gestern in der Pressestelle nachgefragt, ob den Genehmigungsbehörden eine Zusammen arbeit von Jonas Scheck und dem Büro Grossmann bekannt sei und wie das Landratsamt als Baurechtsbehörde diese Erkenntnis werte.

Die immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung „wurde am 9. Dezember 2016 für vier Windenergieanlagen in Winterlingen erteilt. Grundlage der Entscheidung des Landratsamtes war das vom Büro Dr. Grossmann gefertigte Gutachten mit spezieller artenschutzrechtlicher Prüfung, welches vom Umweltamt fachlich geprüft wurde“, hält das Landratsamt am Status quo und der getroffenen Entscheidung fest. Pressesprecherin Marisa Hahn verweist außerdem auf den Zeitfaktor.

Das von der Gemeinde Bitz bei Jonas Scheck in Auftrag gegebene Gutachten stamme vom September 2017 „und war damit nicht Gegenstand der Entscheidung des Landratsamtes“, enthält sich die Behörde jeglicher Wertung.

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