Balingen

„Kein Bauherr kann sich so etwas gefallen lassen“

12.12.2017

von Michael Würz

Die Mängel am Brandschutz im Balinger Krankenhaus, die der ZAK öffentlich gemacht hat, beschäftigen seit geraumer Zeit die Justiz. Das wurde in dieser Woche bekannt. 

Landrat, Kreisbrandmeister und Klinikleitung reagierten am Dienstag mit einer Pressekonferenz auf die Recherchen unserer Zeitung über die Brandschutzmängel im Balinger Krankenhaus. Wichtigste Botschaft, die Landrat Günther-Martin Pauli den Journalisten im Landratsamt mit auf den Weg geben wollte: „Es besteht kein Grund zur Beunruhigung.“ Kreisbrandmeister Stefan Hermann sprang Pauli mit einem deutlichen Bekenntnis zur Seite: „Wir können die Verantwortung übernehmen.“

Feuerwehrleute halten Wache

Wie berichtet halten seit einigen Tagen jeweils zwei Feuerwehrleute im Schichtdienst rund um die Uhr Brandsicherheitswache im Balinger Krankenhaus. Grund dafür sind Bausünden an Brandschutzwänden. Erste Mängel seien bereits im Oktober 2014 bei einer Routinekontrolle aufgeflogen, berichtete Pauli, den die Berichterstattung in unserer Zeitung offensichtlich kalt erwischt hatte. Dabei beschäftigt der Fall – wie nun bekannt wurde – seit geraumer Zeit nicht nur den Landrat, sondern auch die Justiz.

„Kein Bauherr kann sich  so etwas gefallen lassen“

© Michael Würz

Jeweils zwei Feuerwehrleute pro Schicht sorgen in den kommenden Monaten für die Sicherheit im Balinger Krankenhaus. Grund: Mängel an Brandschutzwänden in der Klinik.

Doch wann hätte das Landratsamt die Öffentlichkeit informiert, hätte nicht der ZOLLERN-ALB-KURIER die Sicherheitsmängel publik gemacht? Auf diese Frage eines Radioreporters antwortete Pauli am Dienstag: Man habe damit warten wollen, bis ein Teil der nun laufenden Ausbesserungsarbeiten abgeschlossen ist. „Wir wollten auch niemanden unnötig beunruhigen.“ Pauli räumte aber zugleich ein, noch nicht genau zu wissen, wie groß das Ausmaß des Baupfuschs überhaupt ist. Denn: In der gesamten Klinik müssen alle relevanten Wände überprüft, teilweise aufgerissen und gegebenenfalls ausgebessert werden – unter Aufsicht eines neuen Sachverständigenbüros und des Kreisbrandmeisters.

Das Problem sitzt in Wänden

Gleichwohl betonen die Verantwortlichen: Die Brandschutzklappen in der Lüftungsanlage funktionieren und sind vom Baupfusch nicht betroffen. Sie sorgen dafür, dass sich im Falle eines Brandes der Rauch nicht über die Lüftung ausbreitet. Das Problem hingegen sitzt in den Brandschutzwänden, von denen nicht klar ist, ob sie im Ernstfall dicht wären. Sie weisen erhebliche Mängel auf, die die Verantwortlichen den Journalisten am Dienstag auf Fotos präsentierten. In zahlreichen Fällen sind Durchbrüche für die Lüftungsrohre durch die Mauern lediglich mit Isoliermaterial abgedichtet – nicht aber ordnungsgemäß verputzt, sodass im Falle eines Brandes möglicherweise Rauch in benachbarte Räume dringen kann.

„Kein Bauherr kann sich  so etwas gefallen lassen“

© Michael Würz

Die Klinik in Balingen: Hier haben Baufirmen gepfuscht.

„Wir werden den Dingen nachgehen und tun alles dafür, um die Probleme zu beheben“, versicherte Pauli, den die Sache sichtlich aufwühlt. „Ich ärgere mich natürlich schon sehr darüber, kein Bauherr kann sich so etwas gefallen lassen.“ Hart vorgehen will der Landrat dementsprechend gegen gleich mehrere Baufirmen, die die Sache zu verantworten hätten, möglicherweise aber auch gegen einen Sachverständigen der Dekra. Er hatte die Brandschutzwände nach dem Umbau seinerzeit abgenommen. Man prüfe auch strafrechtliche Aspekte der Angelegenheit, ließ Pauli am Dienstag durchblicken. „Wir schauen uns die Paragraphen schon genau an.“

Im Rahmen einer Klage gegen eine der Baufirmen habe ein Sachverständiger, den das Landgericht Hechingen geschickt hatte, die aktuelle Situation Ende Oktober genau begutachtet. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass die nun eingeleiteten Maßnahmen geboten sind. In Abstimmung mit der zuständigen Baurechtsbehörde, das ist in dem Fall die Stadt Balingen, habe man sich dazu entschieden, den Brandsicherheitsdienst in der Klinik einzurichten.

Situation dauert noch Monate

Kreisbrandmeister Stefan Hermann bestätigte die Informationen unserer Zeitung, wonach man in den Feuerwehren im Großraum Balingen Freiwillige suche, die sich für den Dienst melden. Bereits heute zeichne sich ab, dass diese Situation – angesichts der zahlreichen erforderlichen Prüf- und Baumaßnahmen – mindestens bis ins Frühjahr andauern wird.

Gerhard Hinger, Vorsitzender Geschäftsführer des Zollernalb-Klinikums, geht jedoch gegenwärtig nicht davon aus, dass es durch die anstehenden Bauarbeiten zu großen Beeinträchtigungen im täglichen Klinikbetrieb kommen wird.

Lesen Sie auch: Mängel am Klinik-Brandschutz: Wie kann es dazu kommen? (mit Video)

Kommentar: Das Schweigen des Landrats

Ohne zu übertreiben kann man sagen: Landrat Günther-Martin Pauli ist stinksauer über den Pfusch, den die Baufirmen in der Balinger Klinik abgeliefert haben. Deshalb geht er juristisch gegen die Verantwortlichen vor, deshalb wirft er auch einen Blick ins Strafgesetzbuch. Zu Recht. Doch auch der Landrat muss sich dafür kritisieren lassen, dass er die Öffentlichkeit lange Zeit im Unklaren über den tatsächlichen Zustand des Krankenhauses gelassen hatte.

Man mag ihm abnehmen, dass er keine Panik schüren wollte. Und man mag ihm zugute halten, dass auch Gerichte keinen Anlass zur Panik sahen. Doch anzunehmen, dass nicht spätestens Feuerwehrleute, die in der Klinik unterwegs sind, das Interesse der Öffentlichkeit auf den Fall lenken würden, ist geradezu naiv – und in Zeiten, in denen Politiker permanent im Verdacht stehen, Bürger nicht ernstzunehmen, ein fast unverzeihlicher Fehler. Bleibt die Frage: Was mag ihn daran gehindert haben, das Problem, von dem die Behörden seit 2014 wussten, beim Namen zu nennen? 

„Kein Bauherr kann sich  so etwas gefallen lassen“

ZAK-Redakteur Michael Würz

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