Albstadt-Tailfingen

Beeindruckendes Hörtheater: Katharina Thalbach liest im Thalia

14.11.2017

von Anne Retter

Schauspielerin Katharina Thalbach las im gut gefüllten Thalia-Theater aus Jonas Jonassons Roman „Die Analphabetin, die rechnen konnte“. Mit Video.

Im Rahmen der Literaturtage übernahm Katharina Thalbach für den schwedischen Autor Jonas Jonasson die Lesung aus seinem Roman „Die Analphabetin, die rechnen konnte“. Die Veranstaltung im Thalia-Theater war gut besucht, trotz erster Schneeflocken, die am Sonntagabend fielen. Thalbach stammt aus einer Theaterfamilie und stand schon als Kind auf der Bühne. Ein Umstand, der der Lesung zusätzlichen Reiz verlieh, war die ganz eigene Art und Weise, in der die Schauspielerin Jonassons Werk präsentierte.

Beeindruckendes Hörtheater: Katharina Thalbach liest im Thalia

© Anne Retter

Begeisterte im Thalia die Zuhörer: Katharina Thalbach las ihre Texte nicht einfach nur vor, sie schlüpfte in Rollen, gab der Erzählung Kontur und Leben.

Wenn eine preisgekrönte, Schauspielerin mit einer eindrucksvollen Stimme Lesungen für einen übernimmt, ist das ein großes Glück für einen international erfolgreichen Autor, der beim besten Willen nicht alle Sprachen können kann, in die sein Buch übersetzt wurde. Das trifft auch für die Zuhörer zu, die in den Genuss einer solchen Lesung kommen, die mehr Hörtheaterdarbietung als bloßes Vorlesen war.

Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach lies die erstaunlichen Figuren im Roman des Schweden lebendig werden. „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ ist eine spitzzüngige, nichtsdestoweniger humorvolle Abrechnung mit dem Fundamentalismus in all seinen Erscheinungsformen. Protagonistin Nombeko ist schon als Fünfjährige in der Latrinenreinigung tätig. Mit Zehn ist sie Waise und auf sich alleingestellt, mit 14 Chefin der Latrinenreinigung. Das ist der Beginn ihrer aberwitzigen Lebensreise, die sich mit den genauso glaubwürdigen, aberwitzigen Geschichten anderer Charaktere kreuzt.

Ihr Weg ist der eines starken Mädchens, das für sich einsteht, ohne sich durch andere definieren zu lassen. Nombeko bestimmt über sich selbst und ihr Leben, das für das Publikum fremdartig und beschwerlich erscheint. Aber Jonasson beschreibt fürchterliche Umstände und Zustände, ohne in westliche Arroganz zu verfallen oder zu beschönigen.

Es gibt viel zu lachen in seinem Buch, das die erstaunlichen Geschichten mehrerer Individuen erzählt. Vor allem aber die von Nombeko, die fast zufällig bei der Konstruktion nuklearer Sprengköpfe hilft, nebenbei Verhandlungen mit den Mächtigen der Welt führt und dann auch noch die Liebe findet. Dass die Lesung im Thalia-Theater von Katharina Thalbach gestaltet wurde, verlieh dem Roman zusätzliche Tiefe. Sie las nicht einfach vor, sie vermittelte durch die sprachliche Gestaltung einen plastischen Eindruck jeder Figur. Der schmierige „Onkel“, dem Nombeko leider eine Schere ins Bein rammen muss, als er sie begrapschen will, manifestiert sich ebenso auf der Bühne wie der königsverrückte Postangestellte aus Schweden. Charmant und liebevoll gab Katharina Thalbach der Geschichte Kontur und Leben.

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