Bisingen

„Was zählt, ist das Individuum“

23.10.2017

von Pressemitteilung der Schule

Die Tochter und die Enkelin des Bisinger KZ-Überlebenden Otto Gunsberger sprachen zu Schülern des Technischen Gymnasiums Balingen.

In einer ganz besonderen Geschichtsstunde lernten Schülerinnen und Schüler des TG Balingen die Tochter und Enkelin des Holocaust-Überlebenden Otto Gunsberger kennen. Vermittelt hatte den Schulbesuch die Geschichtslehrerin der Klasse, Ines Mayer, die gleichzeitig zweite Vorsitzende des Gedenkstättenvereins Bisingen ist.

„Was zählt, ist das Individuum“

© Ines Mayer

Danielle Vosk signierte die Autobiografie ihres Großvaters Otto Gunsberger für die Schüler.

Gegen Kriegsende hatte Otto Gunsberger im KZ Bisingen Zwangsarbeit leisten müssen, bevor er Anfang Mai in Dachau befreit wurde. Um die Erinnerung an den vor vier Jahren verstorbenen Gunsberger zu bewahren und zugleich seinen Aufruf zu Menschlichkeit und Toleranz fortzuführen, sprechen Tochter Claire Vosk und ihre Kinder regelmäßig mit Schülern und Studenten. Diesmal nicht in ihrer Heimatstadt Melbourne, sondern in Balingen.

Anschaulich illustriert durch Bildprojektionen berichteten Claire und Danielle Vosk vom Leidensweg ihres Vaters und Großvaters vom Konzentrationslager Auschwitz über Buchenwald und Bisingen nach Dachau, aber auch vom Neubeginn in Australien und den eigenen Erfahrungen als Tochter und Enkelin eines Holocaust-Überlebenden. Erstaunlich sei die positive Grundhaltung gegenüber dem Leben gewesen, die Otto Gunsberger nach dem Krieg entwickelt und immer bewahrt habe. Diese Einstellung prägte auch seine Begegnungen mit jungen Menschen, die ihm ein besonderes Anliegen waren und die der Bisinger Gedenkstättenverein bei seinen Besuchen 1998 bis 2009 organisierte. Bewegt von der Verpflichtung, als Überlebender auch für die vielen ermordeten Opfer des Holocaust zu sprechen, verstand er seine Mission immer als einen Aufruf zur Toleranz. „Wenn ich eines in meiner Zeit in den Konzentrationslagern gelernt habe, dann dies, dass man Menschen nie danach beurteilen darf, welcher Gruppe sie angehören. Ich betrachte nicht Nationalität oder ‚Rasse‘, sondern das Individuum.“

Auch Claire und Danielle Vosk ist dieser Appell wichtig. Am Ende ihres Vortrags zeigten sie Schlagzeilen aus Amerika und Australien, mit denen kollektiv gegen Muslime gehetzt wird. Wiederholt sich die Geschichte? Die 25-jährige Danielle riet den Schülern der Klasse 13 des Technischen Gymnasiums, so oft es gehe, in andere Länder zu reisen, fremde Menschen und Kulturen kennenzulernen, den eigenen Horizont zu erweitern. „Glaubt nicht alles, was ihr in den Medien seht oder lest. Macht euch selbst ein Bild.“

Es entspann sich ein offener und intensiver Dialog – durchweg auf Englisch –, in dem die angehenden Abiturienten unter anderem Unverständnis und Sorge über den Einzug einer rechten Partei in den Bundestag äußerten. Um so wichtiger sei es, aus der eigenen Geschichte zu lernen und gegen rassistische Tendenzen anzugehen. An aktuellen Entwicklungen in anderen Ländern sehe man, wie schnell Freiheit und Demokratie verspielt seien. Ihren Besucherinnen aus Australien dankten die TG-Schüler herzlich und mit zum Teil bewegenden Worten. „Ich empfinde es als eine große Ehre, dass ihr bei uns seid und mit uns redet“, bekannte Robin.

Seine Sitznachbarin Damaris pflichtete ihm bei und formulierte prägnant: „Für mich seid ihr Helden!“

Diesen Artikel teilen: