Zollernalbkreis

Der Rettungsdienst krankt an akutem Personalmangel

18.08.2017

von Michael Würz

Noch kann im Zollernalbkreis jeder Rettungswagen besetzt werden. Doch das Rote Kreuz schlägt Alarm. Und sucht händeringend Mitarbeiter.

„Der Arbeitsmarkt ist wie leergefegt.“ Dieter Fecker, Chef des Rettungsdienstes beim Roten Kreuz im Zollernalbkreis, seufzt etwas ratlos. „Wir würden gerne Leute einstellen“, sagt er. „Aber es gibt einfach keine.“ In einer internen E-Mail, die unserer Zeitung vorliegt, startete der DRK-Vorsitzende Heiko Lebherz deshalb in dieser Woche einen Aufruf unter den zahlreichen ehrenamtlichen Mitgliedern. Sie sollen bei der Suche helfen – oder sich gleich entsprechend ausbilden lassen, um hauptamtlich im Rettungsdienst zu arbeiten. Wie ernst die Lage ist, zeigen die Zahlen, die Lebherz in der E-Mail nennt: Man suche fünf Rettungsassistenten oder Notfallsanitäter und zehn Rettungssanitäter. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Die Ursachen

Der Rettungsdienst steckt landauf, landab in der Krise. In einigen Landkreisen bleiben Fahrzeuge des Rettungsdienstes bereits in der Garage. Ganz so dramatisch sei die Lage im Zollernalbkreis gegenwärtig noch nicht, sagt Lebherz. „Wir können noch jeden Rettungswagen besetzen“, versichert er am Freitag in den Räumen des DRK-Kreisverbands, als die Presse da ist. DRK-Sprecher Dietmar Dieter hat die Medienvertreter eingeladen, die die Botschaft schnell in die Öffentlichkeit tragen sollen. Denn die Zeit drängt – und die Ursachen sind vielfältig. „Unsere Einsatzzahlen sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen“, sagt Rettungsdienst-Chef Dieter Fecker.

Ein Grund dafür: Die Hemmschwelle, einen Rettungswagen zu rufen, sei in der Bevölkerung gesunken. Ein aufgeschürftes Knie beim Fußballspiel? Für viele heute Grund genug, um die 112 zu wählen. Auf der anderen Seite ist der Job, den die gegenwärtig rund 70 Rettungsassistenten in Albstadt, Balingen und Hechingen leisten, eine harte und nicht besonders gut bezahlte Angelegenheit. Wer im Rettungsdienst arbeitet, schiebt per Tarifvertrag 48 Stunden pro Woche Dienst, immer 12 am Stück. Die Retter sehen schwere Unfälle und viel Leid. Und sie müssen immer alles geben. Wer den Job macht, macht ihn aus Berufung.

Der Rettungsdienst krankt an akutem Personalmangel

Auf Lösungssuche: DRK-Pressesprecher Dietmar Dieter, Rettungsdienst-Chef Dieter Fecker, DRK-Vorsitzender Heiko Lebherz (von links). Foto: Michael Würz

„Menschen in Notlagen zu helfen, ist natürlich auch eine sehr erfüllende Tätigkeit“, betont Fecker. Gleichwohl leidet häufig die eigene Gesundheit, mitunter auch die Psyche. Die Folge: Ausfälle unter den Mitarbeitern. Auch der demografische Wandel, rechnen die Verantwortlichen, dürfte sich künftig im Rettungsdienst noch deutlicher als heute bemerkbar machen. Und dann ist da das neue Notfallsanitätergesetz, das eine noch bessere Qualifikation der Rettungskräfte vorsieht: Bis 2020 müssen alle Rettungsassistenten weitergebildet sein. „Für die Fortbildung kann ein Mitarbeiter schon mal neun Monate lang ausfallen“, klagt Fecker.

Mögliche Lösungen

Vor allem bei der Bezahlung der Rettungskräfte müsse man ansetzen, sagen die Verantwortlichen beim DRK Zollernalb unisono. „Die wirtschaftliche Lage ist gut, wir hatten schon einen Mitarbeiter, der in die Wirtschaft gewechselt ist, um seine Familie zu ernähren“, berichtet Fecker. Das allerdings ist Sache der Tarifpartner, liege nicht in der Hand des örtlichen Kreisverbands, der das Geld – quasi treuhänderisch – von den Kassen einsammele und seinen Leuten auszahle. Beim DRK setzen sie daher verstärkt auf das betriebliche Gesundheitsmanagement, um Mitarbeiter zu halten. Auch Wiedereinsteiger wollen sie ansprechen, genau wie den Nachwuchs – etwa mit einem Werbefilm auf Facebook.

 

Kommentar: Die Lage ist ernst

Klingt unglaublich, ist aber so: Hilfsorganisationen in Deutschland wissen im Jahre 2017 nicht mehr, wie sie ihre Einsatzfahrzeuge vollkriegen sollen. Deshalb klammern sie sich beim DRK im Zollernalbkreis jetzt schon fast an jeden Strohhalm – etwa in Gestalt von Mitarbeitern, die für Krankentransporte eingesetzt sind und künftig den Rettungsdienst unterstützen sollen. Logisch: Notfälle gehen vor.

Doch damit, so steht zu befürchten, werden die Wartezeiten für Krankentransporte in die Höhe schnellen. Hilfreich könnte sein, ehemalige und heute ehrenamtliche Rettungsassistenten zu Notfallsanitätern auszubilden. Ausgerechnet ihnen aber legt der Gesetzgeber im Ländle einen Stein in den Weg – und erlaubt das nicht. Wer wieder einsteigen will, muss sich – Trick 17 – in NRW fortbilden lassen. Besser wäre, der Gesetzgeber würde stattdessen anständige Rahmenbedingungen schaffen.

Der Rettungsdienst krankt an akutem Personalmangel

ZAK-Redakteur Michael Würz

Fotostrecke
/

© Michael Würz

Diesen Artikel teilen: