Balingen

HBW-Coach Runar Sigtryggsson im großen ZAK-Interview

22.07.2017

von Marcus Arndt

Nach dem Abstieg aus der Handball-Bundesliga strebt der HBW Balingen-Weilstetten die direkte Rückkehr an.

„Das wird kein Selbstläufer“, betont Trainer Runar Sigtryggsson, der noch in der vergangenen Runde gemeinsam mit Geschäftsführer Wolfgang Strobel einen markanten Umbruch vorangetrieben hat. Der ist noch nicht abgeschlossen, nach wie vor ist die Nachfolge von Keeper Peter Johannesson nicht geklärt. Die Vorgaben hingegen sind eindeutig. „Mehr Tempo und Aggressivität“, fordert der Isländer, welcher um die Rolle der Schwaben in Liga zwei weiß: „Jeder will gegen uns gewinnen ...“

HBW-Coach Runar Sigtryggsson im großen ZAK-Interview

© Moschkon

Runar Sigtryggsson (Jahrgang 1972) trainiert seit Sommer 2016 den HBW. Der vierfache Familienvater wechselte vom klassentieferen EHV Aue zu den Schwaben, trat die Nachfolge von Frank Bergemann an. Als Spieler hat er 2003 mit BM Ciudad Real den spanischen Pokal sowie den Europapokal der Pokalsieger gewonnen. In der Bundesliga war der 118-fache isländische Nationalspieler für die SG Wallau-Massenheim am Ball, in Liga zwei für Frisch Auf Göppingen und den ThSV Eisenach.

Herr Sigtryggsson, wie fällt Ihre Analyse der Vorsaison mit etwas Abstand aus?

Runar Sigtryggsson: Ich beschäftigte mich bereits vor den beiden letzten Saisonspielen gegen Flensburg-Handewitt und Kiel mit dem Abstieg und den Gründen. Am Ende waren wir einfach nicht gut genug, um erstklassig zu bleiben. Fünf Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz sind schon enorm und spiegelt unser Leistungsvermögen wider.

Wo sehen Sie die Gründe für den Abstieg des HBW?

Sigtryggsson: Alle haben Fehler gemacht auch ich. Allerdings hatte die Mannschaft auch nicht die Qualität, um in den wichtigen Spielen konkurrenzfähig zu sein. Wir hatten einige teure Spieler, die wenig oder gar keine Leistung gebracht haben. Hinzu kamen immer wieder verletzungsbedingte Ausfälle, welche wir nicht kompensieren konnten.

Sie sprechen von Ihren Fehlern. Könnten Sie diese präzisieren . . .

Sigtryggsson: Wir haben im finalen Saisondrittel einige Änderungen in der Mannschaft vorgenommen. Die haben auch funktioniert, kamen allerdings zu spät. Ich hätte früher reagieren müssen. Dennoch wäre es sehr schwer geworden, die Klasse zu erhalten. Am Ende war der Druck unglaublich groß.

Nun steht der schwäbische Fusionsklub vor einem gewaltigen Umbruch, der noch nicht abgeschlossen ist. Hat die neu formierte Mannschaft das Potenzial für den direkten Wiederaufstieg?

Sigtryggsson: Wir haben eine besser besetzte Mannschaft als in dieser Runde und mit Martin Strobel den größten Namen in der 2. Liga. Wir müssen und werden liefern. Es ist ein sehr junges Team mit guten Handballern, die sich beweisen und den nächsten Schritt machen wollen. Unsere Neuzugänge aus der 2. Liga haben allesamt dreistellig in der vergangenen Runde getroffen das haben nur wenige Spieler aus unserer ehemaligen Erstliga-Mannschaft geschafft.

Nach dem Abstieg erfolgt die erwartete Zäsur im Kader, sechs neue Spieler sind dabei. Sind Sie zufrieden mit dem Personal für die kommende Runde?

Sigtryggsson: Wir haben eine junge, perspektivisch ausgerichtete Mannschaft mit hoher Qualität. Den Kern der Mannschaft haben wir gehalten, punktuell mit den Besten der 2. Liga verstärkt und hochwertig ergänzt. Ich kann nun meine Vorstellung besser umsetzen.

Und die wären?

Sigtryggsson: Wir wollen deutlich schneller und aggressiver spielen. In der vergangenen Runde war die Mannschaft in einigen Teilen total überaltert, konnte meine Vorstellungen nicht realisieren. Das ist nun anders auch in der Abwehr, wo alle Spieler schnell auf den Beinen sind.

Die Defensive war im Abstiegsjahr noch bedingt konkurrenzfähig der Angriff nicht. Was muss in der Offensive künftig besser laufen?

Sigtryggsson: Das Hauptthema in den ersten Wochen der Vorbereitung sind ‘Pässe und die Bewegungen mit und ohne Ball‘. Das ist die Basis für ein schnelleres Spiel, um aus der ersten und zweiten Welle heraus zu Toren zu kommen. Drei unserer Neuzugänge waren in der Saison 2016/17 unter den besten 25 Torschützen der zweiten Liga. Wir haben Qualität verpflichtet. Diese müssen wir nun auf die Platte bringen.

Sie starten im DHB-Pokal gegen Meister Rhein-Neckar Löwen in die neue Runde. Nicht unbedingt ein Traumlos ...

Sigtryggsson: Wenn man nicht ins Final Four nach Hamburg kommt, ist es eigentlich egal, wann und gegen wenn man ausscheidet. Natürlich wünscht man sich mehr Spiele, aber wir müssen diese Aufgabe so annehmen, wie sie ist: sehr, sehr schwer.

In der Liga scheint das Auftaktprogramm gegen Altmeister Essen, die Neulinge Hagen und Rhein Vikings sowie Mitabsteiger Coburg machbar. Ihre Einschätzung?

Sigtryggsson: Wir müssen das Bewusstsein dafür entwickeln, dass der direkte Wiederaufstieg absolut kein Selbstläufer wird. Jede Mannschaft in der zweiten Liga will insbesondere in der eigenen Halle den Bundesliga-Absteiger schlagen. Hinzu kommt eine deutlich härtere Spielweise, die wir annehmen müssen.

Der HBW strebt die Rückkehr in die Bundesliga an. Wer sind die Konkurrenten?

Sigtryggsson: Die vergangene Saison hat gezeigt, dass die zweite Liga in der Spitze sehr ausgeglichen ist. Hinter dem souveränen Meister TuS N-Lübbecke hatten am letzten Spieltag noch vier Klubs die Chance, aufzusteigen. Ich sehe die Situation in der kommenden Runde ähnlich. Neben den beiden Mitabsteigern, Bergischer HC und Coburg, erwarte ich Rimpar und Bietigheim vorne. Auch Lübeck-Schwartau, Hamm-Westfalen und Ex-Erstligist Eisenach haben das Potenzial, um vorne mitzuspielen. Nachdem nur noch zwei Klubs aufsteigen, wird es diesmal noch schwieriger.

Themenwechsel. Die Torhüterfrage ist bislang noch nicht final geklärt. Mehrere Transfers sind bislang gescheitert. Drohen dem HBW erneut Probleme zwischen den Pfosten?

Sigtryggsson: Wir sind zweimal knapp gescheitert, das ist richtig. Allerdings hilft uns blinder Aktionismus in dieser Situation nicht weiter. Wir brauchen neben Tomas Mrkva einen weiteren starken Torhüter und es gibt auch schon einen Kandidaten, der noch relativ jung ist. Wir wollen auch auf dieser Position Qualität verpflichten. Der Markt ist allerdings überschaubar, was die Sache nicht einfacher macht. Aber klar, zeitnah muss die Torhüterfrage geklärt werde. Bis dahin wird Jonas Baumeister aus dem Perspektivteam diese Lücke schließen.

Diesen Artikel teilen: