Balingen

Die Headbanger sagen adieu

16.07.2017

von Roland Beck und Michael Würz

Am Sonntag haben die meisten Metalfans ihre Heimreise angetreten – nach einem gelungenen und friedlichen Bang-Your-Head-Festival in Balingen.

Entspannt und gut gelaunt feierte die Großfamilie der schweren Jungs und tätowierten Mädels die 19. Ausgabe des Balinger Bang Your Head-Festivals. Getrübt wurde die Stimmung lediglich von etwas Regen, Wespenstichen und einem mageren Auftritt einer der Hauptbands. Die Aufstellung der diesjährigen Bands ließ im Vorfeld die ganz großen Namen wie zu Zeiten von Twisted Sister oder Motörhead vermissen – zumindest was den Hobby-Metal-Fan angeht.

Die Headbanger sagen adieu

© Roland Beck

Carmen, Marc, Max und Isabell müssen am Sonntagmorgen zurück nach Stuttgart und Ludwigsburg. Leon hat es sich am Balinger Südbahnhof im Campingstuhl gemütlich gemacht. Er wartet auf den nächsten Zug nach Offenburg.

Zugegeben: Zwar standen mit der schwedischen Power-Metal-Formation Hammerfall und Vince Neil, dem Sänger der 2015 aufgelösten Glam-Metal-Band Mötley Crüe, schon zwei Hauptbands fest, die auch dem Szene-Laien etwas sagen. Doch als Festival-Zugpferde konnten nur die Schweden den Fans zeigen, wo der Hammer hängt. Vince Neil – einst blonder Frauenschwarm, rank und schlank, heute, naja, noch blond – enttäuschte nicht nur seine treuesten Fans.

Veranstalter entschuldigt sich für Vince-Neil-Auftritt

Nachdem Vince Neil am Freitagabend mit ziemlicher Verspätung einen eher piepsigen Auftakt auf die Bühne gelegt hatte, ließ er von der noch verbleibenden Zeit eine gute Viertelstunde seine Band allein die Arbeit verrichten. Der Rest des Auftritts wurde mit Coversongs gestreckt. Unterm Strich auch ein Ärgernis für Veranstalter Horst Franz, der sich direkt im Anschluss beim Publikum öffentlich für den Auftritt des Amerikaners entschuldigte.

Diesem Mut wiederum zollten dem Festival-Chef zahlreiche Fans unter anderem auf Facebook Respekt. Wie auch immer, Hammerfall entschädigte am Samstag mit einer soliden und kraftvollen Show. Und natürlich gab es unter den insgesamt 45 Bands auch noch zahlreiche andere Künstler, die ihre Fans musikalisch zu begeistern wussten, wie etwa das Schweizer Urgestein Krokus, die sympathischen Westfalen von Axxis, Death Angel aus Kalifornien, die Alt-Rocker von Rose Tattoo aus Australien und Saxon aus England – und natürlich der Scorpions-Gitarrist Michael Schenker.

Alles in allem kann Horst Franz mal wieder einen grünen Haken unter das Bang Your Head setzen: tolle Atmosphäre, zufriedene Fan-Gemeinde, friedlicher Verlauf. Auch die Ordnungshüter waren am Sonntag voll des Lobes. „Das Festival verlief äußerst harmonisch“, meldete Nina Furic, Sprecherin des Polizeipräsidiums Tuttlingen. Lediglich hier und da war bemerkbar, dass die Sicherheitsstufe erhöht wurde – was dem aktuellen Standard von Großveranstaltungen zuzuschreiben ist.

Die Polizei fahndet nach 60 Iron-Maiden-Schallplatten

Überhaupt hatte die Polizei gerade einmal sieben Rechtsverstöße zu bearbeiten, darunter laut Polizei kleinere Drogendelikte, gefälschte Eintrittskarten und der Diebstahl von 60 Iron-Maiden-Schallplatten, die einem Händler auf dem Gelände geklaut worden waren. Das Rote Kreuz meldete unterdessen einen erhöhten Behandlungsbedarf an Wespenstichen.

Die Headbanger sagen adieu

Typisch Bang Your Head: Für ein paar Tage sind hier auch die zahlreichen Ärzte und Sanitäter ausnahmslos Rocker. Foto: Roland Beck

Insgesamt ging die Zahl der Einsätze für die Helfer im Vergleich zum Vorjahr leicht zurück; gleichwohl waren die Retter im Dauereinsatz. 390 Mal waren sie gefragt; in mehr als 30 Fällen mussten Patienten in Kliniken gebracht werden – mal wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt, mal wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls. Die meisten Patienten aber kamen noch nach der Versorgung im eigens eingerichteten Behandlungsbereich wieder auf die Beine.

Und das Wetter? Am Mittwoch wurde das Warm-up von Regengüssen abgekühlt, was freilich nicht weiter schlimm war, da der Auftakt in der Halle stattfand. Und der kurze Regen am Donnerstagabend wurde kaum bemerkt. „Außerdem sind wir ja nicht aus Zucker“, murmelte Gunnar, imposanter Metal-Hüne aus Hamburg mit Nieten-Weste, durch seinen Rauschebart. Laut Polizei besuchten jeden Tag rund 11.000 Besucher das Bang-Your-Head-Festival auf dem Balinger Messegelände.

Nette finstere Gestalten

Ein kleines Mädchen sitzt auf einem Teppich und liest in einem Kinderbuch. Unter den knallgrünen Ohrenschützern, die Kinder auf dem Bang Your Head tragen, ist die Welt in Ordnung. Von der unglaublichen Lautstärke, die von der Bühne über das Messegelände schallt, hört das Mädchen darunter nicht viel. Kinderlektüre, während Mama und Papa zu den harten Riffs der Metalbands wippen: Das Bang Your Head geht längst als waschechte Familienverstanstaltung durch. Wer hingegen ein echter Metalfan werden will, trägt natürlich schon in jungen Jahren pflichtgemäß eine standesgemäße Kutte und feiert auf Papas Schulter die gemeinsamen musikalischen Idole.

Dürfen sie es sich aussuchen, schieben Polizisten und Sicherheitsleute ihren Dienst deshalb auch lieber auf auf dem Bang Your Head als bei Volksmusikveranstaltungen, hören die ZAK-Reporter in den vergangenen Tagen immer wieder. „Hier gibt's viel weniger Geschacher um die besten Plätze“, berichten die Ordnungshüter. „Die Metal-Fans sehen wild aus, sind aber friedlicher.“ Jedoch nicht unkritisch:

Als der einstige Frauenschwarm Vince Neil am Freitag als Star des Abends die ersten Takte anstimmt, trauen viele Besucher ihren Ohren nicht, so piepsig ist sein Auftritt. Er singe wie Mickey Maus, lassen sie Veranstalter Horst Franz auf Facebook wissen, der sich familiär wie das Bang Your Head ist noch am Abend auf die Bühne wagt und sich peinlich berührt bei seinen Besuchern für die Nummer entschuldigt. Wohl dem, der da einen großen, knallgrünen Gehörschutz sein Eigen nennen konnte.

Angesichts 44 weiterer Bands, die in Balingen auf der Bühne standen, kamen aber wohl dennoch alle Besucher auf ihre Kosten.

Die Fotos vom Festival-Samstag

Die Fotos vom Festival-Freitag 

Die fleißigen Hände im Hintergrund

Die Fotos vom Festival-Donnerstag

Polizeichef Alexander Türschmann zur Sicherheitslage auf dem Bang Your Head

Die Fotos von der Warm-Up-Party am Mittwoch

Fotostrecke
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© Roland Beck

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