Zollernalbkreis

Schüler verzweifeln auf dem Weg nach Sylt

20.06.2017

von Michael Würz

Die Reise ins Schullandheim wird für mehrere Schulklassen aus dem Zollernalbkreis zum Horrortrip. In Frankfurt will die Bahn Schüler von der Polizei aus dem IC werfen lassen.

Um sechs Uhr morgens war die Welt für Lehrer Björn Preuß am Montag noch in Ordnung. Mit zwei Schulklassen des Tailfinger Progymnasiums startet er von Albstadt aus in Richtung Schullandheim. Es geht nach Sylt; die Schüler haben gute Laune – und die Lehrer haben mitgedacht. Gleich drei Stunden Puffer haben sie eingebaut. Denn sie wissen: Eine Reise mit der Bahn kann immer mal nicht ganz rund laufen. Doch das Chaos nimmt bereits nach wenigen Kilometern seinen Lauf. „In Tübingen sind wir gleich mal mit dem Regionalexpress festgesessen“, berichtet Preuß.

Schüler verzweifeln auf dem Weg nach Sylt

© Björn Preuß

Die Klimaanlage kann bei dieser Menschenmenge nichts mehr ausrichten, an Sitzplätze ist nicht zu denken – doch hier, im ICE zwischen Frankfurt und Hamburg, sind die Tailfinger Schüler froh, dass sie überhaupt fahren.

Nächster unplanmäßiger Halt: Plochingen. Ein Stellwerkfehler in Reutlingen legt die Strecke lahm. Größere Sorgen machen sich Schüler und Lehrer da noch nicht, schließlich haben sie genügend Puffer in ihre Verbindungen eingebaut. Die nächste Überraschung wartet allerdings bereits in Stuttgart: Der ICE, mit dem die Schüler nach Hamburg fahren wollen, ist ersatzlos gestrichen. „Da waren mehrere Reisegruppen betroffen, hunderte Schüler“, sagt Preuß. Im Ersatzzug geht es für die Tailfinger Gymnasiasten und mehrere Schulklassen des Hechinger Gymnasiums, die gestern ebenfalls auf dem Weg in den Norden sind, nun nach Frankfurt. „Dort wurden wir ausgesetzt, ohne richtig informiert zu werden“, klagt Preuß. Mit einem Intercity sollen sie schließlich weiter in Richtung Hamburg fahren.

Die Bundespolizei rückt an

Doch weil Reisegruppen aus mehreren ICEs in den Zug drängen, ist der schnell hoffnungslos überfüllt. Die Bahn will kurzen Prozess machen – und lässt die Bundespolizei anrücken. Acht Mann hoch sollen sie die Schüler aus dem Zug werfen. „Da unsere Klassen auf mehrere Abteile verteilt waren, wäre das zum Problem geworden“, sagt Preuß. Die Beamten hätten dann auch besonnen reagiert und sich geweigert, Schüler einfach aus dem Zug zu werfen. „Alles andere hätte mich auch verwundert“, sagt Ralf Ströher, Sprecher der Bundespolizei in Frankfurt, später dem ZOLLERN-ALB-KURIER. Stattdessen: Stillstand in Frankfurt. Am Ende verlassen laut Polizei rund 100, laut Preuß rund 200 Reisende freiwillig den IC. „Es ging noch hin und her“, berichtet Preuß. Dann endlich sitzen die Tailfinger Schüler in ICE Nummer drei und rollen Richtung Hamburg. Die Klimaanlage ist ausgefallen, die Temperaturen sind kaum erträglich, dicht gedrängt sitzen die Schüler auf dem Boden.

Doch sie fahren. Immerhin. Ob es die Schüler aus Hechingen geschafft haben, kann Preuß nicht sagen, als die ZAK-Redaktion ihn telefonisch erreicht. „Wir haben die Hechinger nicht mehr gesehen.“ Über eine Stunde standen sie in Frankfurt, stiegen von einem Zug in den anderen, und Preuß ist empört über die Art und Weise, wie die Bahn sie habe hängen lassen. „Sie haben lediglich gesagt, dass wir die Reservierungsgebühr zurückerstattet bekommen, wenn wir wollen.“

Ansonsten? „Das war denen einfach völlig schnuppe“, sagt Preuß: „Wir sollten halt den nächsten Zug nehmen, haben sie gesagt.“ Wie die Schüler in Hamburg weiterkommen? Noch unklar, als wir Preuß am Telefon haben. Eine Anfrage der ZAK-Redaktion ließ die Deutsche Bahn gestern zunächst unbeantwortet.

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