Balingen

Ein einstiges Freiheitsidol ist wieder im Blickpunkt

23.05.2017

In Balingen und Berlin erscheinen zwei Bücher über den Revolutionär Georg Herwegh.

Es ist ein beachtenswerter Zufall: Seit wenigen Monaten ist wieder vom Dichter Georg Herwegh und seiner Ehefrau Emma in der Literatur die Rede. Kurz vor Weihnachten brachte das Balinger Druck- und Verlagshaus Daniel das Buch „In Alt-Balingen für eine neue Zeit. Die Rebellen Jakob Huzel und ihr Umfeld“ heraus. Darin berichtet der hiesige Schulpädagoge und Lokalhistoriker Adolf Klek mehrfach von Georg Herwegh, der als Sohn einer Balingerin hier die Lateinschule besuchte.

Das Buch liegt mit schwarz-rot-goldenem Einband in den Balinger Buchhandlungen und in den Geschäftsstellen des ZOLLERN-ALB-KURIERS Balingen und Ebingen zum Verkauf aus. Dazu kommt jetzt der Roman „Die Freiheit der Emma Herwegh“, verfasst vom vielfach preisgekrönten Journalisten und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit. Das Buch ist Ende Januar im Hanser-Verlag erschienen.

Bei Adolf Klek wird als Ergebnis vielfältiger Archivforschungen von Menschen und ihrer Lebenswelt in Balingen in Jahrzehnten nach dem Stadtbrand 1809 berichtet. Es wächst der Drang nach gerechter, freiheitlicher Selbstbestimmung. In zwei Schullehrern aus der Handwerker-Sippe „Huzel“ lebt dieser Freiheitsdrang auffallend. Der jüngere Jakob Huzel hatte die Lateinschule fast gleichzeitig wie Georg Herwegh und Gottlieb Rau besucht. Verfasser Klek kann darstellen, wie aus dem Schüler Huzel in Balingen an der Seite von Rau ein „Aufrührer“ in den Revolutionsmonaten 1848 wird, wie er sich einer Festungshaftstrafe durch Flucht nach Amerika entzieht und dort für eine neue Zeit einsetzt.

Georg Herweghs Mutter Rosina stammte aus der Balinger Honoratioren-Sippe „Märklin“, die mit den „Huzel“ verschwägert war. Aus ihrer zerstrittenen Ehe in Stuttgart floh sie mit Sohn und Tochter nach Balingen, wo die Großmutter noch lebte. Georg wurde zur Familie des Lateinschulleiters im Schulhaus bei der Stadtkirche in Pension gegeben, so dass Präzeptor Knoll ihn den ganzen Tag unterrichten konnte. Mit dessen Hilfe schaffte er trotz einer langen Nervenkrankheit, dem sogenannten Veitstanz 1831 das Landexamen. Deshalb durfte er die kostenlose Internatsausbildung zum Pfarrer im Seminar Maulbronn beginnen.

Dramatische Einzelheiten

Dirk Kurbjuweit gründet seinen Roman natürlich auch auf historische Tatsachen, erweitert sie aber mit erdachten dramatischen Einzelheiten. Von Erlebnissen im Seminar Maulbronn erzählt hier Georg Herwegh in Berlin 1842 beim ersten Zusammentreffen mit der politisch aufgeschlossenen Emma, der Tochter des reichen Berliner Kaufmanns und Hoflieferanten Siegmund. Allerdings lässt der Verfasser die Veitstanzerkrankung Georgs in der Maulbronner Seminarzeit auftreten, während sie doch vorher die Balinger Lateinschulzeit prägte. Der Stadtname Balingen kommt im Roman nicht vor. Aber es gibt hier eine „Herweghstraße“.

Auch von seiner Studienzeit in Tübingen erzählt Georg Herwegh im Roman, vom Wechsel zur Schriftstellerei und von der Flucht aus dem erzwungenen Militärdienst in die freiheitsliebende Schweiz. Emma kennt schon die „Gedichte eines Lebendigen“, die er 1841 aus der Schweiz zum Druck gebracht hatte (zum Beispiel „Der Freiheit eine Gasse“, „Das Lied vom Hasse“). Sie ist glücklich, den gefeierten Dichter jetzt bei sich zu haben. Nach baldiger Verlobung übersiedelt das Paar nach Paris, ein Skandal für die bürgerliche Gesellschaft.

Kurbjuweit wechselt mehrfach Schauplatz und Jahr des Geschehens. Auf „Berlin 1842“ folgt „Paris 1848“, wo die Herweghs Zeugen der Februarrevolution werden. Die emanzipierte Emma nimmt sich die Freiheit aus, als einzige Frau in der von Georg angeführten Deutschen Demokratischen Legion mit 800 Männern aus Paris den Revolutionären unter Hecker in Baden Waffenhilfe zu bringen. Sie übersteht mit ihrem Gatten die Strapazen beim Gefecht gegen württembergische Truppen im Südschwarzwald. In ihrer Ehe nimmt sie mehrfach hin, dass Georg sie mit Kind für ein Liebesverhältnis mit einer befreundeten Frau zeitweise verlässt. „Sie haben alle ein Ideal“, lässt der Autor in der Rahmenhandlung die hochbetagte, verarmte Witwe Emma sagen, „die Liebe, die Freiheit.“

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