Balingen-Dürrwangen

Auf der Suche nach der Wahrheit in den Zeiten des Wandels

22.05.2017

von Daniel Seeburger

Beim „Anderen Gottesdienst“ in Dürrwangen ging es um Glaubwürdigkeit und Vertrauen von Medien und Kirchen. ZAK-Lokalredakteur Michael Würz stand Pfarrer Jan Rüggemeier Rede und Antwort.

Was ist Wahrheit? Jürgen Sting begrüßte die Besucher des „Anderen Gottesdienstes“ in der Dürrwanger Petruskirche am Sonntagabend mit dieser Frage, die Pilatus Jesus stellte, als dieser sagte, er sei in die Welt gekommen, um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen.

Was genau Wahrheit ist, konnten auch Pfarrer Jan Rüggemeier und ZAK-Onlineredakteur Michael Würz nicht beantworten. Ihnen gelang aber die Annäherung an einen auf Vertrauen basierenden Wahrheitsbegriff. Eine Grundvoraussetzung für Wahrheit sei Vertrauen, so Rüggemeier. Eine Definition, der auch Michael Würz beipflichten konnte.

Auf der Suche nach der Wahrheit in den Zeiten des Wandels

© Daniel Seeburger

Annäherung an eine nicht einfache Definition: ZAK-Onlineredakteur Michael Würz (links) und Pfarrer Jan Rüggemeier diskutierten über die Wahrheit.

Er erzählte von den Gerüchten, die es über die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Meßstetten gegeben hat und wie die Onlineredaktion des ZOLLERN-ALB-KURIER jedes Posting sachlich beantwortet hat. So habe man beispielsweise Gerüchte nach Vergewaltigungen in der LEA, die aus dem Umfeld der rechtsextremen NPD gestreut worden sind, entkräften können. Die Menschen kämen auf allen Kanälen, auf Facebook, Whatsapp oder Twitter, führte Michael Würz aus.

Diese Leute könne man durchaus erreichen. Wichtig sei aber, dass man sie ernst nehme und sich mit ihnen auseinandersetze. Gerade dann, wenn es um das Nachprüfen von Gerüchten geht. Fake-News, also mediale Lügen und Halbwahrheiten, gebe es seit vielen Jahren, nicht erst seit die sozialen Medien omnipräsent seien. Würz nannte als Negativbeispiel die Regenbogenpresse.

Jan Rüggemeier gab mit seiner Definition von sozialen Medien den theoretischen Background für die von Michael Würz praktizierte journalistische Methode. „Die sozialen Medien heißen nicht soziale Medien, weil sie besonders sozial sind“, sagte der Theologe. „Es geht um soziale Interaktionen.“

Ob denn Lokaljournalismus ein Job mit Zukunft sei, wollte Jan Rüggemeier wissen. Michael Würz musste für die Antwort nicht lange überlegen: „In Zeiten des Wandels gibt es nichts Spannenderes, als in einer Lokalredaktion zu arbeiten.“

Was aber nun Wahrheit wirklich sei, fragte Jan Rüggemeier und versuchte eine theologische Antwort. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, habe Jesus gesagt. Diese Wahrheit sei jenseits unserer selbst zu finden. Es sei eine Wahrheit, die auf einer anderen Ebene verortet sei. Die Frage laute deshalb: „Welche Wahrheit trägt mein Leben?“. Rüggemeier verknüpfte den Wahrheitsbegriff mit dem Aspekt der Gnade.

Der Pfarrer hatte ein Experiment vorbereitet. Jeder Gottesdienstteilnehmer erhielt zu Beginn einen Tennisball, den er in eine von drei Glassäulen legen durfte. Was für eine Gesellschaft wichtig sei, die von sozialen Medien geprägt sei, wollte Jan Rüggemeier wissen und hatte die Glassäulen mit den Begriffen Behutsamkeit, Vielschichtigkeit und Langsamkeit gekennzeichnet.

Die meisten Gottesdienstteilnehmer sprachen sich für Behutsamkeit aus. Von diesem Begriff aus lässt sich ein Schritt zu den Ausführungen von Jürgen Sting zu Beginn des Gottesdienste machen. Ein wichtiger Aspekt der Wahrheit sei die Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit aber setzt Vertrauen voraus. Und Vertrauen wächst nur behutsam.

Früher hätten Journalisten und Pfarrer noch etwas gegolten, meinte Jan Rüggemeier. Eine Möglichkeit sowohl für Kirchen als auch für Medien Vertrauen zurückgewinnen, ist das Zurückerobern einer verlorengegangenen Glaubwürdigkeit.

Musikalisch gestaltet wurde der „Andere Gottesdienst“ von der Band Rückenwind. Die Dürrwanger Konfirmanden, denen Michael Würz im Rahmen des Konfiunterrichts einen Samstag lang praktische Übungen zum Erkennen von Falschnachrichten nahe gebracht hatte, kredenzten den Gottesdienstbesuchern einen Wahrheitscocktail.

Während sich Theologen und Journalisten den Kopf über die Wahrheit zerbrechen, wissen die Konfirmanden wenigstens, wie sie schmecken sollte: lecker, kühl und fruchtig.

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