Dotternhausen

Plettenbergabbau: Jeder wartet nun auf den ersten Schritt des anderen

03.05.2017

von Nicole Leukhardt

Stillstand bei den Verhandlungen zur Festlegung der Abbaugrenzen: Die Entscheidung über einen alten Antrag könnte den Knoten lösen.

Das Ringen um die Ausweitung des Abbaugebiets der Firma Holcim auf dem Plettenberg hat einen Punkt erreicht, der alle Parteien zu lähmen scheint.

Während das Thema seit Monaten den Ort in zwei Lager spaltet, scheint die Situation auf den ersten Blick ganz einfach zu sein. Neben dem ursprünglichen Vertrag von 1952 zwischen der Vorgängerfirma von Holcim, Rohrbach Zement, und der Gemeinde Dotternhausen, gibt es unter vielen anderen einen wesentlichen Zusatzvertrag, der die Süderweiterung eindeutig regelt und gestattet. Unterschrieben ist dieser Vertrag von der Gemeinde und der Abbaufirma.

Plettenbergabbau: Jeder wartet nun auf den ersten Schritt des anderen

© Lydia Wania (Archiv)

Der Kalksteinbruch auf dem Plettenberg: Wie geht es hier mit dem Abbau weiter?

Der Anwalt für Verwaltungsrecht, Kai-Markus Schenek, nannte diesen Vertrag in der öffentlichen Sitzung des Dotternhausener Gemeinderats vergangene Woche eine „unwiderrufliche Willensäußerung“, die bindend sei. Vertrag ist also Vertrag? Nicht ganz. Und jetzt wird es kompliziert. Denn eine so genannte aufschiebende Bedingung verhindert derzeit, dass dieser Vertrag endgültig rechtskräftig wird. Diese Bedingung ist die Genehmigung eines Antrags der Firma Rohrbach Zement, der seit 1986 beim Balinger Landratsamt, der zuständigen Genehmigungsbehörde, vorliegt.

Auf Nachfrage erklärte das Landratsamt, dass sich dieser Antrag auf Bestreben der Antragsstellerin Rohrbach im Ruhezustand befinde. Seinerzeit habe der Antrag „wegen Fehlens verschiedener Genehmigungsvoraussetzungen nicht genehmigt“ werden können und sei deshalb auf Wunsch von Rohrbach auf ruhend gestellt worden.

Zu diesen fehlenden Genehmigungsvoraussetzungen sagt das Balinger Landratsamt Folgendes: „Die von Rohrbach beantragte Erweiterung des Kalksteinabbaus auf dem Plettenberg liegt im Landschaftsschutzgebiet Großer Heuberg und teilweise im Naturschutzgebiet Plettenkeller. Der Antrag von 1986 benötigt daher eine Befreiung des Regierungspräsidiums Tübingen von der Naturschutzverordnung Plettenkeller. Das RP konnte zum Zeitpunkt der Antragsstellung keine Befreiung in Aussicht stellen, weil der genehmigte Abbau damals noch für rund 20 Jahre ausgereicht hat.“

Ein Änderungsmarathon

Ob der Antrag allerdings heute eine Chance auf Genehmigung hätte? Eine Prognose, erklärt die Genehmigungsbehörde, könne erst nach sachlicher Prüfung nach heutiger Rechtslage erfolgen. Das Landratsamt sei der Auffassung, dass eine ebenfalls erforderliche Befreiung von der Landschaftsschutzgebietsverordnung „Großer Heuberg“ für die 1986 beantragte Erweiterungsfläche nicht erteilt werden kann. Hierfür sei zunächst eine Änderung dieser Landschaftsschutzgebietsverordnung erforderlich.

Ein Änderungsmarathon mit weitreichenden Konsequenzen, denn noch heute hängt die Rechtskraft des Zusatzvertrags, dem der Rat der Gemeinde Dotternhausen damals einstimmig zugestimmt hatte, an der Entscheidung über eben jenen Antrag. Aufleben lassen könnte ihn, so teilt das Landratsamt auf Anfrage mit, jeder am Verfahren Beteiligte und auch die Genehmigungsbehörde, also das Landratsamt, selbst.

Verjähren könne der Antrag von 1986 zwar nicht, jedoch: „Derzeit wird geprüft, ob ein eventuell bestehender Anspruch auf Entscheidung des Antragsstellers verjähren kann“, teilt das Landratsamt mit.

Um die vertraglich vereinbarte Süderweiterung durchzusetzen, müsste die aufschiebende Bedingung im Vertrag eintreten, der Antrag also genehmigt werden. Dies hatte der Anwalt der Gemeinde in der öffentlichen Sitzung so dargelegt.

Warum die Firma Holcim über eben diesen Antrag beim Landratsamt keine Entscheidung beantragt, und ob das Unternehmen stattdessen, wie vor Jahren angekündigt, einen neuen Antrag einreichen möchte – dazu sagt Holcim nichts. Pressesprecherin Sabine Schädle antwortet auf Nachfrage lediglich: „Die Verhandlungspartner stehen in laufenden Gesprächen miteinander. Wir bitten um Verständnis, wenn wir daher momentan keine weitere Auskunft erteilen.“

Würde jedoch eine Entscheidung beim Landratsamt, auf wessen Betreiben auch immer, herbeigeführt, könnte sie in der Theorie unterschiedliche Konsequenzen haben. Würde der Antrag von 1986 wieder aufgenommen und genehmigt, wäre Dotternhausen vertraglich an die damals beschlossene Süderweiterung gebunden. Würde der Antrag abgelehnt, hätte die Antragsstellerin zunächst die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und, „sofern dem Widerspruch durch die Widerspruchsbehörde nicht abgeholfen wird, Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben“, erklärt das Landratsamt. Bliebe es bis zuletzt bei einem Nein, wäre der Zusatzvertrag ungültig, die Gemeinde also zwar an den Grundvertrag von 1952 gebunden, jedoch frei, über die Erweiterung neu zu verhandeln. Käme die Behörde zu dem Schluss, dass der Antrag modifiziert werden müsste oder müsste ein komplett neuer Antrag eingereicht werden, könnte sich die Gemeinde darauf berufen, dass es sich nicht mehr um den Antrag aus dem Jahr 1986 handelt und somit eine neue Verhandlungsgrundlage darstellt. Diese Möglichkeiten hatte Kai-Markus Schenek in der öffentlichen Sitzung durchgespielt.

Bereits im Jahr 2009/2010, so heißt es in der Stellungnahme des Landratsamts, habe die Firma Holcim zwar angekündigt, einen „eigenen, neuen Antrag auf eine Süderweiterung zu stellen.“ Jedoch: Beim Landratsamt ist ein solcher Antrag bislang nicht eingegangen. Für einen neuen Antrag, so formuliert es das Landratsamt in seiner Stellungnahme, müssten „die notwendigen Voraussetzungen, insbesondere die Änderung des Regionalplans vorliegen“. Um den Regionalplan wiederum zu ändern, müsste zunächst die Landschaftsschutzgebietsverordnung „Großer Heuberg“ geändert werden. Mit diesem Antrag beschäftige sich das Landratsamt derzeit, heißt es weiter. Man warte allerdings noch „auf eine abschließende Stellungnahme der Gemeinde Dotternhausen zur Frage, welche Flächen sie als Eigentümerin der Plettenberghochfläche für einen weiteren Gesteinsabbau zur Verfügung stellen will.“

Und genau darin liegt für Dotternhausen weiterer Zündstoff. Sollte sich die Gemeinde heute, womöglich sogar rechtsverbindlich per Bürgerbegehren, für engere Abbaugrenzen auf dem Plettenberg entscheiden und der siebte Zusatzvertrag gleichzeitig wirksam werden, müsste die Gemeinde vermutlich mit Schadensersatzforderungen durch die Firma Holcim rechnen. Denn dann würde sie sich vertragsbrüchig verhalten. Auch darauf hatte der Anwalt vergangene Woche hingewiesen.

Wer also macht den ersten Schritt? „Die Situation ist ein Dilemma, in dem wir uns seit zwei Jahren bewegen“, fasst Dotternhausens Bürgermeisterin Monique Adrian zusammen. Sollte sich keine der Parteien zu einer Entscheidung durchringen können, wird es das fürs Erste auch bleiben.

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