Zollernalbkreis

Polizeireform: Den Experten entgehen die Mängel nicht

28.03.2017

von Michael Würz

Kommen die Verkehrspolizisten bald wieder aus dem heimischen Revier? Das Polizeipräsidium Tuttlingen könnte zerschlagen werden, der Zollernalbkreis Reutlingen zugeteilt werden. Mit Kommentar

Die Polizeireform stand auf dem Prüfstand; am Dienstag haben die Fachleute ihren Bericht Innenminister Thomas Strobl vorgelegt. Bis zur Sommerpause soll der Landtag nun beschließen, welche Vorschläge der Experten umgesetzt werden. Richten sich die Abgeordneten nach den Ergebnissen der Evaluierung, würde dies das Ende des Polizeipräsidiums Tuttlingen bedeuten. Es würde zerschlagen und mit dem Polizeipräsidium Konstanz verschmelzen. Dieses wäre für die Kreise Konstanz, Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar zuständig. Der Sitz soll Konstanz sein; im Gegensatz zu Tuttlingen gibt es dort bereits alle Gebäude.

Der Zollernalbkreis könnte Reutlingen zugeteilt werden

Im Zollernalbkreis dürfte passieren, was viele Polizisten in den vergangenen Jahren immer wieder im ZOLLERN-ALB-KURIER gefordert hatten – die Dienststellen könnten dem Polizeipräsidium Reutlingen zugeordnet werden. Damit wären die Kreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb künftig unter einem Dach. Zentrale Verkehrspolizeidirektionen wie die in Zimmern ob Rottweil, deren Beamte gegenwärtig für fünf Landkreise zuständig sind, soll es nur noch in großen Städten geben. Im ländlichen Raum sollen wieder die Polizeireviere vor Ort alle Unfälle aufnehmen, auch die schweren.

Polizeireform: Den Experten entgehen die Mängel nicht

Das Polizeirevier in Balingen: Im ländlichen Raum gibt es viel Kritik an der Reform. Foto: Michael Würz/Archiv

Nach Einführung der Polizeireform hatte es vielfach scharfe Kritik gegeben: Zu lange seien die Beamten aus Rottweil unterwegs, bis sie am Unfallort eintreffen, allzu häufig seien die Anfahrtswege vom einen zum anderen Unfall zu lang. Inzwischen weiß man: Bis die Rottweiler Verkehrspolizisten einen Unfallort im Zollernalbkreis erreichen, vergeht im Durchschnitt rund eine Stunde.

Bereits zu Beginn der Polizeireform hatte unsere Zeitung darüber berichtet, dass der Unmut der Beamten vor Ort so groß war, dass die es mit der neuen Regelung nicht ganz so genau genommen hatten – und die zuständigen Verkehrspolizisten aus Rottweil erst gar nicht alarmierten. Über manchen Schwerverletzten wurde da hinweggesehen, mancher Unfall schnell weggefegt. Ex-Polizeipräsident Ulrich Schwarz, bis zu seiner Pensionierung eiserner Verteidiger der Polizeireform, hatte die Recherchen unserer Zeitung 2015 vor Journalisten bestätigt.

Auch die Pressearbeit auf dem Land hat gelitten

Zu weit ging die Polizeireform aus Sicht der Experten auch bei der Medienarbeit: Die Zentralisierung der Pressestellen habe gravierende Nachteile mit sich gebracht, bilanzieren die Fachleute in ihrem Bericht. Es sei nicht mehr möglich, die Medien zeitnah, umfassend und detailliert zu informieren und Presseanfragen umgehend zu beantworten. Auch stünden Polizeisprecher den Journalisten bei aktuellen Ereignissen häufig nicht mehr zur Verfügung

 

Kommentar: Höchste Zeit nachzubessern

Niemand hat die Polizeireform in den vergangenen Jahren so rigoros verteidigt wie Ulrich Schwarz, der als Polizeipräsident die Führung des Tuttlinger Präsidiums übernommen hatte, und Reinhold Gall, seinerzeit Innenminister von Baden-Württemberg. Der eine ist heute im Ruhestand, der andere nicht mehr im Amt. Beide müssen sich sagen lassen: So notwendig eine Reform der Polizeistruktur in Baden-Württemberg war, so ausgeufert ist das Projekt am Ende.

Die Leidtragenden: in erster Linie Bürger und Polizisten im ländlichen Raum. Hier haben sich vor allem die riesigen Gebiete für Verkehrs- und Kriminalpolizei als dicker Fehler entpuppt. Auch die versprochene Entlastung der Beamten ist nicht in Sicht. Rastlos rasen die Ermittler des Kriminaldauerdiensts heute von einem Landkreis in den nächsten. Es ist höchste Zeit nachzubessern.

Polizeireform: Den Experten entgehen die Mängel nicht

ZAK-Redakteur Michael Würz

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