Geislingen

Die Fronten zwischen Zirkus und Rathaus sind verhärtet

25.03.2017

von Michael Würz

Ein Grundstückseigentümer hat dem Zirkus Starlight erlaubt, seine Zelte in Geislingen aufzuschlagen. Im Rathaus sind sie darüber gar nicht glücklich. Der Zirkuschef fühlt sich von den Behörden gegängelt.

In der vergangenen Woche stand Francesco Fischer beim Ordnungsamt in Geislingen auf der Matte. Fischer, Direktor des Zirkus Starlight aus Rheinland-Pfalz, will mit Zelt, Tieren, Mitarbeitern und Fahrzeugen in Geislingen aufschlagen. Doch im Ordnungsamt lassen sie ihn abblitzen; Fischer bekommt keine Genehmigung. „Wir haben in den vergangenen Jahren viele schlechte Erfahrungen mit Zirkusbetrieben gemacht“, sagt Bürgermeister Oliver Schmid. „Ich stehe daher voll und ganz hinter der Entscheidung des Ordnungsamts.“

Die Fronten zwischen Zirkus und Rathaus sind verhärtet

© Michael Würz

„Der Circus kommt in Ihre Stadt“, heißt es auf zahlreichen Plakaten in Geislingen. Die Stadt hatte dem Zirkus verboten zu plakatieren – zahlreiche illegal aufgehängte Plakate hat die Stadtverwaltung gleich wieder abgehängt. Doch auf privaten Grundstücken, wie hier an der Ortseinfahrt, sind dem Ordnungsamt die Hände gebunden.

Zirkusdirektor Fischer kennt das schon. Landauf, landab weigerten sich Städte und Kommunen seit geraumer Zeit, öffentliche Plätze an Zirkusunternehmen zu vermieten, schimpft er. Und macht, was Zirkusleute in solchen Fällen machen: Fischer sucht Bauern, die ihm einen Acker überlassen. In Geislingen werden die Zirkusleute schnell fündig: Ein Grundstücksbesitzer erlaubt ihnen, ihr Zelt zwischen Geislingen und Isingen aufzubauen.

„Ohne Bauern wären wir aufgeschmissen“, sagt Fischer, der den Städten vorwirft, deutsches Kulturgut zu vernichten. „In der DDR haben sie Zirkusleuten früher sogar Winterquartiere angeboten“, sagt Fischer. „Das war sensationell.“ Und heute? Er könne verstehen, dass Städte keine Lust auf Zirkus haben, gebe es doch einige schwarze Schafe in der Branche.

Dazu gehöre der Zirkus Starlight, den Fischer in neunter Generation führt, freilich nicht. Noch nicht einmal mit Tierschützern habe er Probleme. „Wir hatten früher 14 Tiger“, erzählt Fischer. Vor zwei Jahren hat er sie abgegeben. Die Organisation Vier Pfoten nahm sie mit in den Lionsrock-Park nach Afrika. Sie sollen ihren Lebensabend genießen, das ist Fischer wichtig. Niemals hätte er die Tiger in einen Zoo gegeben. Auch Zoos – für Fischer eher schwarze Schafe. Und auch die Tierhaltung, die er häufig bei den Bauern sieht, die ihm ihre Grundstücke vermieten, erschüttere ihn: Eng an eng stünden die Kühe ihr Leben lang in den Ställen. „Das geht gar nicht“, findet Fischer.

Umso wütender macht ihn, dass die Behörden seinen Zirkus Starlight – „ein so sauberes und seriöses Unternehmen“ – nicht gastieren lassen wollen. „Hätten wir gewusst, dass jemand von der Zeitung persönlich vorbeikommt, hätten wir alles noch ein bisschen schöner hergerichtet.“ Die Zirkusleute kämpfen erbittert um ihren Ruf, der in der Region zuletzt vor einem Jahr heftig gelitten hatte, als es in Balingen Ärger mit Zirkusleuten gab.

Ein zusammengeschlagener Mann auf dem Parkplatz eines Supermarkts, der Angriff auf eine Reporterin des SWR und nicht zuletzt die Spur der Verwüstung, die der Zirkus hinterlassen hatte, haben auch in den umliegenden Rathäusern bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein ganz schwarzes Schaf, wie Fischer wahrscheinlich sagen würde.

Die Fronten zwischen Zirkus und Rathaus sind verhärtet

Zirkusdirektor und Tierpfleger in Personalunion: Francesco Fischer, Chef des Zirkus Starlight aus Rheinland-Pfalz, schwärmt von seinen Pferden. Einst waren Tiger sein Aushängeschild; sie leben heute in Afrika.

Doch so seriös der seinen Zirkus gerne in der Zeitung dargestellt hätte, so groß sind die Zweifel im Rathaus. Kaum hatten sie Fischer verboten, Plakate in der Stadt aufzuhängen, zogen zu später Stunde Plakatiertrupps los, um für den Zirkus Starlight zu werben. Tags darauf fanden sich zahlreiche Plakate an öffentlichen Einrichtungen, dem Kindergarten zum Beispiel.

Bürgermeister Oliver Schmid ist wegen der nächtlichen wie illegalen Aktion sauer: „Wir haben die Plakate, die an städtischen Einrichtungen hingen, natürlich wieder abgehängt“, sagt er. Dennoch zieren noch immer zahlreiche Plakate die Stadt. „Auf privaten Grundstücken kann das Ordnungsamt nicht einschreiten“, erklärt Schmid. „Das ist dann ein Fall fürs Zivilrecht.“

Ein Fall fürs Landratsamt hingegen ist der Naturschutz. Zwar sei ein Zirkuszelt baurechtlich nicht genehmigungspflichtig, naturschutzrechtlich müsse das Vorhaben aber sehr wohl angezeigt werden, erklärt Marisa Hahn, Pressesprecherin des Landratsamts. Eine solche Anzeige lag dem Umweltamt bis Freitagmittag nicht vor.

Stattdessen gehen im Rathaus Beschwerden ein, weil Zirkusmitarbeiter bei Privatleuten nach Strom und Wasser gebettelt haben sollen. „Da hängt eben vieles dran, was Grundstückseigentümer oft gar nicht überblicken, wenn sie ihre Flächen an einen Zirkus vermieten“, klagt Geislingens Bürgermeister Oliver Schmid. „Uns sind dann die Hände gebunden.“ Genau wie bei den zahlreichen Flyern, die die Zirkusleute in Geschäften ausgelegt haben und die jetzt vielerorts auf der Straße liegen.

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