Zollernalbkreis

Ein Polizeipräsident, der die Sprache der Beamten spricht

06.03.2017

von Michael Würz

Das Polizeipräsidium Tuttlingen ist seit Montag offiziell unter neuer Führung, Gerhard Regele ist der neue Chef – mit ungewisser Zukunft.

Die vielleicht größte Hürde hat der neue Mann an der Spitze des Polizeipräsidiums schon genommen: „Nach ersten Gesprächen genießt Gerhard Regele unseren Vertrauensvorschuss“, sagte Kriminaloberkommissar Werner Scholz, der bei der Amtseinführung am Montag für den Personalrat sprach. Nach der Umsetzung der Polizeistrukturreform hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder große Unruhe unter den Beamten gegeben. Ex-Polizeipräsident Ulrich Schwarz, für seine markigen Worte gleichermaßen bekannt wie umstritten, hatte im vergangenen Jahr seinen Ruhestand angetreten.

Nun also Gerhard Regele. Einer, von dem sie sagen, dass er die Sprache der Beamten spricht. „Uns ist wichtig, dass ein Polizeipräsident eine eigene Meinung hat“, sagte Martin Jäger, Staatssekretär des Innenministeriums. Genauso wichtig sei aber auch uneingeschränkte Loyalität. Und, natürlich, solle er Dinge sozial umsetzen. Ob Regele, 59, das Polizeipräsidium, das für fünf Landkreise – „eine Fläche fast zweimal so groß wie das Saarland“ – zuständig ist, in ruhigere Fahrwasser steuern kann? Zeigen wird sich das frühestens Ende März. Denn im Moment steht die gesamte Polizeireform auf dem Prüfstand. Erst wenn die Ergebnisse der Evaluierung vorliegen, wird sich entscheiden, wie es mit dem Haus, das Regele am Montag offiziell übernommen hat, weitergeht. Ein Umbau des Polizeipräsidiums Tuttlingen ist dann theoretisch genauso möglich wie seine Auflösung.

Und durchaus denkbar: Dr. Joachim Dittrich, leitender Oberstaatsanwalt in Rottweil, kritisierte die Polizeireform in seiner Rede scharf. „Wir Staatsanwälte sehen Verbesserungsbedarf, sowohl was die Struktur als auch das Personal angeht“, betonte Dittrich. Eine Einzelmeinung sei das mitnichten: „Ich spreche hier für alle Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg“, gab Dittrich unter anderem Justizminister Guido Wolf mit auf den Weg, der zum Festakt ins Tuttlinger Feuerwehrhaus gekommen war. Die Unruhe, die die Reform ausgelöst hatte, habe man mit großer Sorge beobachtet, so Dittrich. „Wir Staatsanwälte wünschen uns verlässliche Strukturen.“

Ein Polizeipräsident, der die Sprache der Beamten spricht

Landrat Günther Martin-Pauli kam nach Tuttlingen, ebenso wie Hechingens Bürgermeisterin Dorothea Bachmann – hier mit Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf. Nicht im Bild: Albstadts Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Herre, die den Zollernalbkreis ebenfalls repräsentierten. Foto: Michael Würz

Auch deshalb ginge Dittrich eine erneute Änderung der Zuständigkeiten im Bereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen – in dem etwa der Kriminaldauerdienst und die Verkehrspolizeidirektion in Rottweil zentralisiert worden sind – aber gegenwärtig zu weit. Gar nicht glücklich über einen Wegzug des Polizeipräsidiums wäre auch Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck, dessen Rede beinahe Wahlkampfcharakter hatte. Der Mann will das Polizeipräsidium nicht hergeben, das machte er in seiner Rede unmissverständlich klar. Zahlreiche Bürgermeister und Landräte im Publikum verfolgten seine Ausführungen gespannt. Mit Landrat Günther-Martin Pauli, Albstadts Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, Hechingens Bürgermeisterin Dorothea Bachmann und dem Landtagsabgeordneten der AfD, Stefan Herre, war der Zollernalbkreis beim Festakt am Montag prominent vertreten.

Gerhard Regele selbst wählte die Worte in seiner Antrittsrede mit Bedacht. Mehrmals reichte er den Beamten in den Dienststellen, aber auch den Medien verbal die Hand. Dass Letztere Polizeiarbeit kritisch begleiten – für Regele nicht nur selbstverständlich, sondern Ausdruck von Demokratie. Und dass die Beamten in der Region mitnichten eine ruhige Kugel schieben, habe er bereits im Dezember erfahren. „Abends hat mein Handy geklingelt“, schilderte Regele die Situation im Dezember, nachdem in Hechingen ein Mann aus einem fahrenden Auto heraus erschossen worden war. „Wir haben einen Mord, sagten die Kollegen.“ Die brutale Tat, die in der Region Entsetzen ausgelöst hatte, habe ihm gezeigt, dass es mit der ländlichen Idylle in der Region nicht unbedingt so weit her ist, wie es scheint. Damit landete Regele einen – vielleicht ungewollten – Seitenhieb auf seinen Vorgänger Ulrich Schwarz, der den Festakt als Gast verfolgte.

Schwarz sagte einst, als die Polizeireform in die Kritik geraten war: „Wir sind hier nicht in New York.“ Damit hatte er den Unmut vieler Polizisten in der Region auf sich gezogen. Genau die scheinen Regele wichtig, das brachte er am Montag immer wieder zum Ausdruck. So forderte er gleich auch die Justiz auf, bei Gewalttaten gegenüber Polizeibeamten hart durchzugreifen. Wie stark diese in den vergangenen Jahren tatsächlich gestiegen sind, ist jedoch umstritten – belastbare Zahlen gibt es bislang kaum. Doch dass der Respekt vor staatlichen Institutionen grundsätzlich gesunken ist – das sieht beispielsweise auch Dr. Dietmar Foth, Präsident des Landgerichts in Rottweil, so. Der Tonfall vor Gericht werde rauer, sagte Foth im Gespräch mit unserer Zeitung. „Man muss sich schon überlegen, wie man damit umgeht.“ Insbesondere gelte das auch zunehmend für die Reichsbürgerbewegung, deren Anhänger Polizei und Gerichte von vornherein nicht akzeptieren.

Ein weiteres Thema, das Regele in seiner Amtszeit begleiten werden dürfte: die Gefahr durch den islamistischen Terrorismus. In seiner Antrittsrede betonte Regele, der vom Polizeipräsidium Mannheim kommt und unter anderem im Innenministerium tätig war, wie wichtig die Überwachung und Auswertung entsprechender Telekommunikationsdaten aus seiner Sicht sind.

 

Die Polizei ist jetzt bei Facebook und Twitter

Ein Mausklick war Gerhard Regeles erste offizielle Amtshandlung – und schon war der erste Tweet der Polizei im Netz (siehe Foto). „Wir kommen an den neuen Medien nicht vorbei“, betonte Regele zuvor in seiner Antrittsrede. „Herzlich willkommen“, antwortete die Bundespolizei Baden-Württemberg.

Die neuen Kanäle Sowohl bei Facebook (Polizei Tuttlingen) wie auch bei Twitter (@PolizeiTUT) ist die Polizei seit Montag offiziell vertreten. Dafür wurde eine neue Stelle geschaffen: Der junge Polizeioberkommissar Marcel Ferraro betreut die Online-Auftritte der Polizei aus der Pressestelle heraus.

Die Inhalte Die Polizei will im Netz über Einsätze informieren, aber auch mit Bürgern diskutieren. Bei Facebook will der Polizei-Onliner Fragen zum Berufseinstieg bei der Polizei beantworten. Und: Während des Southside-Festivals wird die Polizei künftig unter dem Hashtag #southside mittwittern. Außerdem lassen sich Fahndungs- und Zeugenaufrufe bei Facebook und Twitter rasend schnell verbreiten. Bei Veranstaltungen oder Katastrophen kann die Polizei auf direktem Wege wichtige Verhaltenshinweise geben. Zudem will die Polizei offensiv auf Fake-News und Gerüchte im Netz reagieren.

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