Geislingen

Nur ein Narrenstück?

01.03.2017

von Michael Würz

Ein 27-Jähriger soll bei der Fasnet in Geislingen den Schlagersänger Frank Cordes verprügelt haben. In der Stadt zweifeln sie die Geschichte an. 

Die Stimmung am vergangenen Samstagabend ist ausgelassen. Nach dem großen Umzug in Geislingen feiern Narren und Besucher im Festzelt der Narrenzunft vor dem Schloss. Unter den Gästen ist an diesem Abend auch der Schlagersänger Frank Cordes („Julia sagt“, „Du und ich und er und sie”). Am Sonntag erscheinen auf dessen Facebookseite zwei Fotos, die ihn mit einer Kopfverletzung zeigen. Cordes liegt augenscheinlich im Balinger Krankenhaus. In dem Posting, das inzwischen gelöscht worden ist, hieß es: „Franky ist ohne Grund in Geislingen bei Balingen nach dem Fasnetsumzug in einem Zelt zusammengeschlagen worden. Einfach so und ohne Grund. Und obwohl er am Boden lag, ging dieser schreckliche Mensch noch mal auf ihn los.“

Was geschah im Festzelt?

Die Bild-Zeitung berichtet am Mittwoch in ihrer Stuttgarter Ausgabe unter der reißerischen und weit hergeholten Überschrift „Blutiger Streit wegen hübscher Närrin“ groß über den Fall. In dem Boulevardblatt kommt der Sänger zu Wort: Er habe ein Bier getrunken, sei angerempelt worden, dabei versehentlich einer jungen Frau auf den Fuß getreten. Daraufhin habe ihn eine Faust am Kopf getroffen, Cordes sei bewusstlos zu Boden gegangen, eine halbe Stunde später blutüberströmt aufgewacht.

Nur ein Narrenstück?

© Rosalinde Conzelmann

In diesem Zelt der Geislinger Narrenzunft ist dem Schlagersänger Frank Cordes ein Faustschlag verpasst worden. Über den Hergang gibt es verschiedene Versionen.

Kann einer im Festzelt eine halbe Stunde bewusstlos auf dem Boden liegen, ohne dass es jemand mitbekommt? Helfer des Roten Kreuzes sind am Samstagabend im Auftrag der Stadt im Einsatz; einer, der das wissen müsste, ist Christian Schluck, Bereitschaftsleiter des DRK-Ortsvereins Geislingen. „Ich hatte an diesem Abend selber Dienst“, sagt er. Dass Frank Cordes bewusstlos geprügelt worden sein soll – davon müsste er wissen. Doch Schluck kennt den Fall nicht. Kein Wunder, sagt ein Augenzeuge, der den Vorfall am Samstagabend aus nächster Nähe beobachtet hatte und die Darstellung in der Bild-Zeitung als hanebüchenen Unsinn beschreibt. Tatsächlich habe Frank Cordes beim Tanzen eine Frau angerempelt. „Sie hat ihn nur gebeten, mehr Abstand zu halten“, versichert der Zeuge.

Nur ein Narrenstück?

© Thomas Teufel/Facebook

So berichtet die Bild-Zeitung am Mittwoch über den Vorfall in Geislingen. Augenzeugen bezeichnen die Darstellung als hanebüchenen Unsinn.

Daraufhin habe sich eine Diskussion entwickelt, der Schlagersänger sei aggressiv und bedrohlich geworden. „Er wollte dann sogar auf die Frau und einen weiteren Mann losgehen“, behauptet der Zeuge. Dazu kam es nicht. Mit einem Faustschlag sei Cordes gestoppt worden. Der Zeuge sagt: „Er wollte seine Wunde daraufhin unter keinen Umständen vom Roten Kreuz versorgen lassen.“ Auch tags darauf, als die Narrenzunft wieder zusammen ist – die Geislinger nehmen am Umzug in Horb teil – ist der Vorfall kein Thema. „Hätte sich das so abgespielt, wie die Bild-Zeitung schreibt, wäre darüber hundertprozentig gesprochen worden“, sagt Uwe Geitlinger, Vorsitzender der Narrenzunft. „Auch in der Stadt wird über so was gleich geredet.“ Thema aber wird der Fall erst, als die Fotos aus dem Krankenhaus am Sonntagabend auf der Facebookseite des Schlagersängers erscheinen.

 

Nur ein Narrenstück?

Das mittlerweile gelöschte Facebookposting von Schlagersänger Frank Cordes. Foto: Screenshot

 

In der Facebookgruppe Geislinger zweifeln seither viele Besucher der Party die Schilderung des Sängers an, einige vermuten hinter der ganzen Geschichte gar einen PR-Stunt. Und auch Geislingens Bürgermeister Oliver Schmid betrachtet die Schilderungen des Schlagersängers skeptisch. „Die gesamte Vorstandschaft der Narrenzunft war zum fraglichen Zeitpunkt im Zelt und hätte das mitbekommen“, sagt er. Zweifel gibt es also auch im Rathaus: „Wir verfolgen den Vorgang und behalten uns eine rechtliche Prüfung vor“, sagt Schmid. Am Dienstagabend löscht Frank Cordes das Posting auf seiner Facebookseite, auch ein weiteres, in dem er kurz darauf vermeldet hatte, wieder zuhause zu sein.

Ein 27-Jähriger stellt sich

Am Mittwoch meldet sich Michael Aschenbrenner, Sprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen, beim ZOLLERN-ALB-KURIER. Er bestätigt: Es gibt tatsächlich ein laufendes Ermittlungsverfahren. Ein 27-jähriger Mann hat sich bei der Polizei gestellt, der mutmaßliche Täter. Aschenbrenner sagt, es dürfte feststehen, dass Schlagersänger Frank Cordes geschlagen worden ist. Die Polizei ermittelt daher gegen den 27-jährigen Mann wegen Körperverletzung. Die Ermittler bestätigen die Schilderung des Augenzeugen: Sie gehen davon aus, dass es auf der Tanzfläche zu einer Auseinandersetzung gekommen ist, nachdem Cordes und eine Frau zusammengerempelt sind. Dass der Schlagersänger aber brutal verprügelt worden sein soll, der Mann ihm noch an den Kragen wollte, als Cordes am Boden lag? Für Zunftmeister Uwe Geitlinger ist das schwer nachvollziehbar: „An diesem Abend hatte ein DJ aufgelegt, der die gesamte Tanzfläche überblickt.“ Dass er all das nicht mitbekommen haben soll – für Geitlinger kaum zu glauben.

Die Sicht des Sängers

Am Mittwochabend ruft Frank Cordes in der Redaktion des ZOLLERN-ALB-KURIER an. Und räumt ein: Nicht alles, was am Mittwoch in der Bild-Zeitung geschrieben steht und was die Menschen in Geislingen so sehr auf die Palme bringt, entspreche der Wahrheit. Und nein, sagt er, eine halbe Stunde habe er nicht auf dem Boden in dem Zelt gelegen. Die Bild-Zeitung habe ihm das in den Mund gelegt. Zugleich dementiert er die Aussagen der Augenzeugen, wonach er sich aggressiv verhalten und den Faustschlag provoziert habe. „Vor allem aber möchte ich weder der Narrenzunft noch den Geislingern etwas Böses“, sagt er.

 

Kommentar: Ruhe bewahren

Freud und Leid liegen bei der Geislinger Fasnet nah beieinander. Nach tragischen Unfällen in der Vergangenheit sind die Geislinger froh, wenn der Fasnetstrubel am Aschermittwoch ohne Zwischenfälle wieder vorbei ist. Umso mehr schmerzt da eine Geschichte wie die um den Schlagersänger, der auf Facebook und in der Bild-Zeitung die Geislinger Fasnet in ein schlechtes Licht rückt. Eine Geschichte, die in vielerlei Hinsicht Zweifel weckt.

Gleichwohl steht für die Polizei gegenwärtig fest: Frank Cordes wurde im Festzelt geschlagen. Die genauen Umstände werden noch im Detail zu beleuchten sein; im Moment scheint das geradezu unmöglich. Gut beraten dürfte daher sein, wer nun die Polizei ihre Arbeit machen lässt und in Ruhe das Ermittlungsergebnis abwartet.

Nur ein Narrenstück?

ZAK-Redakteur Michael Würz

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