Hechingen

Hechingen im Schockzustand – Ermittler schweigen

02.12.2016

von Hardy Kromer

Eine Sonderkommission der Kriminalpolizei Rottweil sucht am Tatort in der Hechinger Unterstadt nach Spuren. Freunde des Opfers versammeln sich derweil an der kleinen Parkanlage, in der der junge Mann verblutete.

Hechingen im Schockzustand – Ermittler schweigen

© Hardy Kromer

Am Tatort an der Staig in Hechingen wurden Blumen und Fotos abgelegt.

Während sich die Staatsanwaltschaft Hechingen „aus ermittlungstaktischen Gründen“ noch nicht in die Karten blicken lässt, hat unsere Zeitung erfahren, wer der Getötete ist. Freunde und Familie trauern um den 22-jährigen Umut K. aus der Nachbargemeinde Bisingen. Der junge Mann kurdischer Abstammung wird von fassungslosen Hinterbliebenen, die am Tatort Blumen niederlegen und Kerzen anzünden, als „ruhiger Junge“, als „witziger Typ“ und als „lieber Mensch“ beschrieben.

Wie ehemalige Mitschüler berichten, hat er in Bisingen den Hauptschulabschluss und im vergangenen Jahr an der Hechinger Alice-Salomon-Schule sein Abitur gemacht. Von sozialem Engagement zeugt die Mitgliedschaft des 22-Jährigen im Bisinger Jugendgemeinderat. Seine Familie lebt ebenfalls in Bisingen.

Eine plausible Erklärung für die Tat hat niemand von all denen, die Umut K. kannten und nun um ihn trauern. „Er war kein Typ, der Streit gesucht hat“, erzählt sein ehemaliger Mitschüler M. aus Hechingen mit einer Kerze in der Hand.

Eine Verwicklung in Streitigkeiten zwischen Kurden und Türken? Nein, das kann sich von den Trauernden am Tatort niemand vorstellen. Ein Mann, der den Erschossenen als „guten Kollegen“ bezeichnet, gibt sich ebenfalls ahnungslos: „Ein paar reden von einer Verwechslung“. Andere spekulieren über einen Streit um Geld als mögliches Tatmotiv.

Ein Hechinger Imbiss-Besitzer, der Umut K. ebenfalls gut kannte, weiß zu berichten, dass der 22-Jährige sich am frühen Donnerstagabend im Spielcasino im Oldtimer-Museum aufgehalten hat. Dort sollte er mit einem Anruf aufs Handy auf die Straße hinausgelockt worden sein.

Gleich darauf wurde er mit einem Pistolenschuss aus einem Auto, das vom „Ochsen“ her kommend die Staig hinaufraste, erschossen. „Das ist echt der Hammer“, meint der Imbisswirt. „So was passiert sonst nicht in Hechingen.“

Ähnlich äußern sich viele Passanten, die am Tatort an der Nahtstelle zwischen Hechinger Unter- und Oberstadt vorbeikommen. „Es tut mir unendlich leid, dass so etwas hier passiert ist“, sagt Ferda Gözübüyük, die nur ein paar Meter entfernt ein Antiaging-Studio betreibt. „Normalerweise geschieht so etwas nicht in einer Kleinstadt.“

Angst auf die Straße zu gehen hat sie deshalb aber nicht. Eine Clique Jugendlicher, die beim Oldtimer-Museum steht und die Lage bespricht, ist da schon eher beeindruckt. „Ich weiß echt nicht, ob man abends noch raus kann“, meint ein Mädchen. Ein 18-Jähriger wundert sich gar nicht so sehr über das Geschehene: „In Hechingen geht’s heftig ab. Da trägt ja bald jeder Zweite eine Knarre.“

Währenddessen fahren fünf Polizei-Busle vor und beziehen auf dem Parkdeck des Oldtimer-Museums Quartier: die frisch eingerichtete Besondere Aufbauorganisation, eine Art Soko, unter dem Kommando von Markus Walter, dem Leiter der Kriminalinspektion 1 der Kriminalpolizei Rottweil.

Rund zwei Dutzend Männer und Frauen strömen aus, um zwischen Stadtmühle und Staig jeden Stein umzudrehen, jedes Blumenbeet und jeden Mülleimer zu durchsuchen. Spuren werden gesucht, denn der Todesschütze ist nach wie vor flüchtig.

Gefahndet wird nach einem roten Kleinwagen, ähnlich einem VW Polo oder einem Fiat Punto. Das Täterfahrzeug, das die schmale Staig hinauf davongerast ist, soll auf der Türe hinten links einen dunklen Fleck – möglicherweise einen Aufkleber mit einem Tierkopf, ähnlich einem Tigerkopf, tragen.

Hinweise werden an die Polizei Tuttlingen, Telefon 07461/941-0, an jede andere Polizeidienststelle oder auch an die Notrufnummer 110 erbeten.

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