Majas „Albkulturen“: aufs Land!

09.11.2016

von Maja Das Gupta

Es ist früh am Morgen, als ich am Press Point der Frankfurter Buchmesse stehe. Aber der Mann hinter dem Tresen reibt sich nicht aus Müdigkeitsgründen die Augen.

Sondern wegen meiner Frage. „Gibt es auf der Frankfurter Buchmesse einen Schwerpunkt zum Thema Stadtflucht?“ „Wir sind die größte Buchmesse weltweit“, sagt er, nachdem er fertig gestaunt hat. „Und dieses Jahr sind wir auch noch sehr politisch.“ Dennoch tut er mir den Gefallen und sieht im Veranstaltungskalender nach.

Wie er erwartet hat: nichts. Was das überhaupt sei, „Stadtflucht“. Sein Akzent verrät, dass er noch nicht lange in Deutschland ist. Seine Kollegin erklärt ein wenig auf Englisch. Und ich ergänze: „Ich glaube übrigens nicht, dass dieses Phänomen nichts mit Politik zu tun hat.“ Aber ich weiß, was er meint. Politik, das ist das Große, in diesem Jahr handelte die Eröffnungsrede von den Vorgängen in der Türkei und ihren Folgen für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, die Entwicklung Europas. Zeilen der inhaftierten Schriftstellerin Asli Erdogan wurden verlesen, hinaus geschmuggelt aus dem Gefängnis. Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, möchte ich den jungen Mann in seinem Anzug mit Brecht fragen. Aber ich lasse es und gehe sinnierend auf die Messe.

Am ersten Stand gleich hält mir eine Frau ein Magazin entgegen. Ich habe davon gehört: Es beschäftigt sich mit den Freuden des Landlebens. Ich blättere das Heft durch und sehe auf den ersten Blick Pferde. Das erinnert mich an meinen Aufenthalt im Künstlerdorf Schöppingen in NRW, wo ich sehr schöne zwei Monate verbracht habe. Auf dem Land! Mit Pferden! Und vielen Künstlerinnen und Künstlern. Mit denen man zusammen sitzen und diskutieren oder an den See fahren konnte. Nicht, dass das in Städten nicht auch ginge.

Dennoch scheint es etwas Anderes zu sein, wenn sich Kulturschaffende plötzlich im Ländlichen begegnen. Ist das Land automatisch gleichbedeutend mit „Provinz“ oder gilt der alte Satz „Provinz ist kein Ort, sondern ein Zustand“? Das Magazin beantwortet meine Fragen nicht. Aber vielleicht ja mein Vorhaben im nächsten Dreiviertel Jahr: Immerhin werde ich im November, März und Juni jeweils für vier Wochen auf der Schwäbischen Alb sein, Projekte Kulturschaffender begleiten und mich weiter mit der Region befassen. Vielleicht finde ich dann Antworten. Oder andere Fragen. Und vielleicht auch die große Dame Politik.

Diesen Artikel teilen: