Balingen

„Angriff auf die Autofahrer“

07.10.2016

von Klaus Irion

Die Stadt Balingen kann kurz durchatmen. Das RP Tübingen will deren Stellungnahme erst Ende Oktober. Derweil entfacht die blaue Plakette Debatten.

„Angriff auf die Autofahrer“

© stockwerk,fotolia

Soll die Bundesregierung die blaue Plakette einführen? Die Ansichten unter Balinger Politgrößen gehen auseinander.

Gestern endete das zweitägige Verkehrsministertreffen in Stuttgart. Zwei Tage, die von der Diskussion um die blaue Plakette dominiert wurden. Der gestrige Beschluss der Verkehrsminister sieht nun vor, die blaue Plakette derzeit nicht umzusetzen. Gleichwohl soll das Thema weiterverfolgt werden. Die blaue Plakette würde es Städten erlauben, an neuralgischen Punkten – in diesem Fall an besonders mit Stickstoffdioxid belasteten Stellen – in eigener Verantwortung ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge, die nicht der Euro-6-Norm entsprechen, auszusprechen.

Legt man nun diese Vorgaben für Balingen zugrunde, stellt sich die Frage: Könnte eine blaue Plakette, die für die Gesamtstadt wohl unausweichliche Umweltzone ersetzen? Könnte man dann also ausschließlich die Endinger Ortsdurchfahrt und Teile der Wilhelmstraße für „Stinker“ zur Tabuzone erklären? Eine Antwort auf diesen speziellen Fall war gestern nicht zu erhalten. Doch auch ohne eine solche ist klar: Eine blaue Plakette in Balingen wäre ein Hoffnungsschimmer mit einem großen Haken. Denn unter die Euro-6-Norm fallen derzeit fast alle Dieselfahrzeuge.

Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann ist einer von drei Länderverkehrsministern, die die blaue Plakette lieber heute als morgen einführen würden. Wie aber sieht es seine Balinger Kabinettskollegen, CDU-Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut? Sie steht der Idee generell offen gegenüber, weil es ein Schritt sei, die gesundheitlichen Folgen der Schadstoffbelastung zu verringern. „Politik, Wirtschaft – letztlich wir alle stehen in der Pflicht, einen Beitrag für saubere Luft zu leisten.“ Im Unterschied zu Hermann plädiert die Wirtschaftsministerin in ihrer Antwort auf eine ZAK-Anfrage aber für Übergangsfristen.

„Wir müssen soziale und wirtschaftliche Auswirkungen im Blick behalten“, so Hoffmeister-Kraut. Denn die heute für Handel oder Handwerker angebotenen Fahrzeuge erfüllten zum größten Teil gar nicht die strengen Kriterien, die für eine blaue Plakette erforderlich wären. „Deshalb müssen wir vorab die Frage der Versorgung mit Waren und Dienstleistungen klären und auf angemessene Übergangsfristen hinwirken, bis eine gewisse Marktdurchdringung mit solchen Fahrzeugen gegeben ist.“

Völlig anders sieht das der ebenfalls in Balingen lebende hiesige CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß. „Ich halte davon gar nichts. Statt Verboten müssen intelligentere Lösungen gefunden werden.“ Die blaue Plakette sei ein weiterer Angriff auf die Autofahrer aber vor allem auf die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe vor Ort.

Auch Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann sieht die blaue Plakette kritisch: „Die Einrichtung von Umweltzonen hat bisher nur sehr begrenzte Wirkung gezeigt. Daran wird auch die Einführung einer blauen Plakette nichts ändern.“ Da sich insbesondere viele Familien und auch kleinere Betriebe nicht kurzfristig neue Fahrzeuge beschaffen könnten, wären diese Gruppierungen doch deutlich benachteiligt. „Zudem ist damit zu rechnen, dass es zu Ausweichverkehr kommt.“ Reitemann setzt stattdessen längerfristig auf staatliche Förderung und forcierte Weiterentwicklung moderner Antriebstechnologien.

Kurzfristig aber bleibt dem Stadtoberhaupt das strittige Thema Umweltzone. Kleiner Lichtblick für die Stadtverwaltung: Das Regierungspräsidium Tübingen hat dem Wunsch entsprochen und erwartet die städtische Stellungnahme zur Umweltzone erst Ende Oktober.

Diesen Artikel teilen: