Balingen

Ian Anderson: „Gute Vorbereitung ist auf Tour einfach alles“

26.07.2016

von Holger Much

Wenn diesen Freitag Ian Anderson die Reihe der Marktplatz-Open Airs eröffnet, steht eine der größten Rocklegenden auf der Bühne. Im Vorfeld war der Grand Seigneur des Prog zu einem Interview bereit.

Nein, es ist nicht die Band „Jethro Tull“, die am kommenden Freitag auf der Bühne des Balinger Marktplatzes auftritt. Es ist deren Gründer, Komponist, Texter und Flötenvirtuose Ian Anderson, der solo mit seiner Begleitband die größten Hits besagter Gruppe spielt, deren Klang und Gesicht er seit fast fünfzig Jahren prägt. Hits wie „Aqualung“, „Locomotive Breath“ oder „Too old to Rock' n' Roll“ werden besonders die etwas älteren Fans begeistern, aber natürlich nicht nur.

Der Grand Seigneur des Progressive Rock, der mit „Thick as a Brick“ eines der bekanntesten Konzeptalben des Prog-Rock schuf, der mit „Songs from the Wood“ schnörkeligen Folk in seine Musik wob, während längst rotzige Punk-Klänge in waren, und der für die LP „Crest of a knave“ den Metal-Grammy verliehen bekam und damit gar Metallica aus dem Rennen warf, gilt nicht unbedingt als der einfachste Zeitgenosse. Der Urheber dieser Zeilen aber erlebte den offiziellen Träger des Titels „Prog God“ als ungemein höflichen, freundlichen und sehr eloquenten Interview-Partner.

Auf die Frage, wie er, der am 10. August seinen 69. Geburtstag feiert, seit Jahren ständig so eine umfangreiche Tour-Tätigkeit durchhält, antwortet Anderson mit typisch britischem Understatement: „Naja, nicht ständig. Dreimal die Woche reicht mir auch. Auf Tour ist gute Vorbereitung einfach alles – Proben, Üben, Texte lesen. Aber nach drei, vier Wochen, wird das etwas anstrengend – zugegeben.“

„In Balingen“, verrät Ian Anderson, „werden wir eine ganz normale Best-of-Show spielen. Die großen Video-Installationen und theatralischen Elemente“, schränkt Ian Anderson im Bezug auf die Rock-Oper ein, mit der er ebenfalls auf Tour geht, „passen nicht zu Open-Air-Veranstaltungen, bei denen noch andere Künstler auftreten. Aber ich freu' mich sehr auf diese eher schlichter gehaltenen Auftritte“.

Auf die Frage, was in ihm nach all den Jahren den Funken der Begeisterung nach wie vor brennen lässt, antwortet Anderson ohne zu zögern: „Restlessness – Unruhe! Und das Bedürfnis, all das, was in ganz breitem Rahmen unter das Genre 'Rock' fällt, immer wieder aufs Neue zu erkunden und – lyrisch und musikalisch – die Grenzen immer ein bisschen weiter zu stecken. Musik zu schreiben ist einfach. Gute Musik zu schreiben ist ein hartes Geschäft. Ich bin mir nicht sicher, ob mir das jemals gelang – aber ich versuch's weiter“.

Seine beiden letzten Solo-Alben, stimmt Ian Anderson zu, sind sehr vom Prog der 70er inspiriert: „Das passt auch sehr gut zu den Stärken meiner aktuellen Band. Heißt aber nicht, dass sich das nun auch durch mein neues Projekt ziehen wird. Ich mag es einfach, wenn sich ein Stil durch die Songs zieht – nenn' es Konzept-Album, wenn Du magst“.

Was eines der von Anderson angesprochenen neuen Projekte ist, verrät er gleich hinterher: „Ich arbeite an einem Album mit einem Streicher-Quartet, zusammen mit mir natürlich. Wir sind gerade dabei, die Arrangements zu perfektionieren und Aufnahmedaten mit den bestmöglichen Streichern zu organisieren. Zum Großteil klassische Tull-Stücke, in einem viel intimeren, atmosphärischen und akustischen Rahmen“.

Und welchen noch unerfüllten Traum hat ein Mann, der mit einer der größten Prog-Rock-Bands der Welt seit 1968 rund 40 Alben einspielte und Tausende von Konzerten gab? „Ein Album mit sehr emotionalem Inhalt. Liebeslieder, Lieder von Eifersucht, Wut und Betrug! So: früher Bob Dylan trifft Shakespeare. Liebessonette mit einem sehr dunklen Unterton, vielleicht inspiriert von biblischen Themen. Aber jetzt erst mal: The Show goes on! Mit lautem Schlagzeug und noch lauterer Flöte!“

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