Meßstetten

Flucht in Gerüchte: Meßstetten im NDR-Medienmagazin ZAPP

26.11.2015

von Redaktion

Ein Reporter des NDR-Medienmagazins ZAPP ist Gerüchten über Flüchtlinge hinterhergefahren. Seine Reise führte ihn auch nach Meßstetten. Der TV-Beitrag, der am Mittwoch lief, erzielt im Netz viel Aufmerksamkeit. 

Bastian Berbner vom Norddeutschen Rundfunk steht mit seinem Kamerateam auf dem Parkplatz des Lidl-Supermarkts in Meßstetten. Er wisse es zwar nicht genau, aber er gehe davon aus, dass es eine Vergewaltigung gegeben habe, sagt ein junger Mann in die Kamera. Es ist eines von unzähligen Gerüchten, die seit Monaten die Bevölkerung in Meßstetten verunsichern. Und wie die meisten Gerüchte ist es frei erfunden.

Es gab keine Vergewaltigung, betont die Polizei, der viele nicht mehr so recht glauben. Doch die Ermittler, bei denen sich die Gerüchte stapeln, stoßen vor die gleichen Probleme wie Journalisten, die herausfinden wollen, was an solchen Geschichten dran ist: Sie lassen sich häufig nicht verifizieren, weil jene, die sie streuen, von der Bildfläche verschwinden, keine Quelle nennen können oder schlicht dabei ertappt werden, mutwillig Unsinn zu verbreiten. Dass das mitunter strafbar ist, scheinen viele nicht zu wissen: Bundesweit gibt es gegenwärtig Strafverfahren gegen die Verfasser solcher Geschichten, die üblicherweise im Internet gestreut werden. Dort sind sie kaum mehr einzufangen. 

Tatsächlich gleichen sich viele Gerüchte über Flüchtlinge in ganz Deutschland. Sie verbreiten überall dort, wo es Flüchtlingsunterkünfte gibt, Angst und Schrecken. Die Urheber dieser Geschichten: Menschen, die es nicht besser wissen, häufig aber auch Menschen, die der rechten Szene nahestehen, mitunter verurteilte Gewalttäter. Jetzt, in der derzeitigen Situation um die Flüchtlinge, verfangen diese Gerüchte bei vielen, erklärt Medienjournalist Bastian Berbner in seinem Beitrag. 

Flucht in Gerüchte: Meßstetten im NDR-Medienmagazin ZAPP

Michael Würz, Onlineredakteur beim ZOLLERN-ALB-KURIER, recherchiert seit Monaten Gerüchten über Flüchtlinge in Meßstetten hinterher.

„Vor allem bei Facebook verbreiten sich diese Geschichten in Windeseile“, sagt Michael Würz, verantwortlicher Onlineredakteur beim ZOLLERN-ALB-KURIER. „Wir gehen ihnen nach, um herauszufinden, ob tatsächlich etwas dran ist, meist entpuppen sich die Geschichten aber bereits nach einer kurzen Recherche als völlig haltlos.“ Applaus bekomme Würz für diese Arbeit nicht, konstatiert das ARD-Politmagazin Panorama am Donnerstag auf seiner Facebookseite.

Der Mannheimer Gerüchteforscher Matthias Kohring hat eine Ahnung davon, warum das so ist: „Der klassische Journalismus bietet keine einfachen Rezepte an“, sagt er. „Die Welt ist komplex, es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß.“ Die Flucht in ein Gerücht liege für ihn da nahe, sagt Kohring. „Gerüchte bieten einfache Orientierung.“ 

Landwirt Gerold Huber, dessen Grundstück an die LEA grenzt, kann über all die schaurigen Geschichten nur noch den Kopf schütteln: „Alle großen Dinge, die hier rumgehen, sind nur Gerüchte“, sagt er. Mal habe man einen abgeschlagenen Kopf auf seinem Hof gefunden, mal Leichenteile in einer Mülltonne. Besonders perfide seien mutwillig gestreute Gerüchte über Sexualstraftaten, sagt Professor Kohring: „Sie lösen Ängste aus.“ Der richtige Umgang damit? Schwierig. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Kommunikation der richtige Weg ist“, sagt ZAK-Redakteur Michael Würz. „Ich glaube, dass wir Journalisten da Haltung zeigen, aber auch unsere Arbeit immer wieder transparent erklären müssen.“ 

Tatsächliche Probleme und Vorfälle dürfe man natürlich nicht verschweigen, das gelte für die Behörden genauso wie für die Medien. „Viele glauben, dass wir nicht kritisch berichten oder nur das, was wir angeblich dürfen.“ Allein, wenn Geschichten nachweislich nicht stimmen, landen sie auch nicht in der Zeitung. „Alles andere wäre unseriös“, sagt Würz.

Fotostrecke
/

Diesen Artikel teilen: