Albstadt

Die Schärpe ist im Karton verstaut

23.11.2015

von Benno Schlagenhauf

Vor 20 Jahren siegte Merlina Restle aus Tailfingen bei der Miss-Baden-Württemberg-Wahl. Heute lebt sie im Bodenseeraum und blickt nüchtern, aber keineswegs verbittert auf die Glitzer- und Glamourwelt.

„Mit Traumnote zur Schönsten im Land“, schrieb am 14. November 1995 der ZOLLERN-ALB-KURIER auf seiner lokalen Titelseite. ZAK-Redakteur Volker Bitzer berichtete damals von Merlina Popovics Sensationssieg bei der Wahl zur Miss Baden-Württemberg. Die damals 20-Jährige, die heute Merlina Restle heißt, siegte mit 490 von 500 möglichen Punkten mit riesigem Vorsprung. Damit qualifizierte sie sich für die Miss-Germany-Wahl in Trier, wo sie Dritte wurde. Restle erinnert sich: „Es war eine schöne Erfahrung, aber ich bin nicht traurig darüber, dass nicht mehr daraus geworden ist.“

Die Schärpe ist im Karton verstaut

© Benno Schlagenhauf

Der Originalartikel vom 14. November 1995. Merlina Restle hieß damals noch Popovic mit Nachnamen.

Nach der Miss-Germany-Wahl 1995 reiste Merlina Restle zu einem Miss-Treffen in Istanbul, zu dem alle Misses der Welt eingeladen waren. Danach war für die junge Frau Schluss mit den Schönheitswettbewerben: „Ich habe das immer nur als Hobby gesehen. Ich hatte meinen Beruf und brauchte nicht Model werden“, sagt die heute 40-Jährige, die Mutter eines 13-jährigen Sohns und einer neunjährigen Tochter ist. „Wenn junge Mädchen heute davon träumen, Topmodel zu werden, würde ich ihnen davon abraten.“ Wer Topmodel werden möchte, für den seien Miss-Wahlen ohnehin ein eher ungeeignetes Karrieresprungbrett: „Man ist als Siegerin vertraglich gebunden und daher für Modelagenturen eher uninteressant“, so Restle, die keineswegs verbittert zurückschaut und schon damals mit beiden Beinen fest im Leben und im Beruf stand.

Merlina Restle, die heute als Prokuristin arbeitet, blickt gerne auf diese Erfahrung zurück: „In Istanbul habe ich ganz viele Mädchen aus aller Welt getroffen, die die gleiche Laufbahn hatten wie ich.“ Merlina Restle teilte ein Hotelzimmer mit Miss Brasilien, Miss Bulgarien und Miss Frankreich. Aber auch Schattenseiten habe es gegeben: „Bei dieser Reise in der Türkei hatten alle an uns verdient, außer wir selbst: Wir mussten die Reise selbst bezahlen, aber bekamen für unsere Auftritte kein Geld. Ein bisschen kamen wir uns vor wie Marionetten.“

Die Schärpe ist im Karton verstaut

© Privat

Merlina Restle beim internationalen Miss-Treffen 1996 in Istanbul mit Miss Bosnien und Miss Mazedonien.

Heute lebt Merlina Restle im Bodenseekreis, nach Albstadt hat sie nur noch über Internet und Handy Kontakt: „Zuletzt war ich vor zwei Jahren dort und habe eine Schulfreundin besucht.“ Die Schärpen von den Miss-Wahlen hat sie noch immer. Doch sie hängen nicht, wie man vielleicht meinen könnte, exponiert an einer Wand: „Die habe ich alle in einen Karton geräumt, ich habe das nie an die große Glocke gehängt.“ Viele Leute in ihrem Bekanntenkreis wüssten gar nicht, dass sie Miss Baden-Württemberg 1995 ist: „Ich finde, damit kann man auch nicht angeben. Das war ein Hobby wie jedes andere auch“, sagt Merlina Restle mit einer sympathischen Bodenhaftung und angenehm-nüchternem Blick auf die Glitzer- und Glamourwelt von „Germany's next Topmodel“ und Co.

Die Schärpe ist im Karton verstaut

© Privat

Merlina Restle heute.

Ob sich denn etwas durch die Miss-Wahl in ihrem Leben verändert habe: „Naja, ich achte schon sehr genau auf mein Äußeres, dass ich nicht in Jogginghose nach draußen gehe oder ärgere mich über Kilos auf der Waage“, sagt Merlina Restle. „Aber ob das jetzt mit der Miss-Wahl zusammenhängt, weiß ich nicht. Ich glaube das liegt in den Genen der Frau.“

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© Benno Schlagenhauf

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