Meßstetten

Tumulte in der LEA: Landrat Pauli will Überbelegung nicht mehr hinnehmen

15.11.2015

von Michael Würz

Offenbar war es eine Kleinigkeit bei der Essensausgabe, ein Streit um ein Brötchen, der am Freitagabend in der LEA eskalierte. Die Folge: Tumulte mit 200 bis 300 Beteiligten und ein Großeinsatz der Polizei. 

Tumulte in der LEA: Landrat Pauli will Überbelegung nicht mehr hinnehmen

„Alles Quatsch“: Ein NDR-Team interviewt am Samstag Landwirt Huber zu Gerüchten auf seinem Hof. Foto: Michael Würz

Als am Samstagmittag ein Fernsehteam des Norddeutschen Rundfunks auf dem Gelände der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge auftaucht, reagieren die Wachleute der Security angespannt. Da werde jetzt aus einer Mücke ein Elefant gemacht, sagt einer. Seine Kollegen nicken. Sie sind nicht gut auf die Journalisten zu sprechen. Entgegen der Berichte in den Medien habe es am Abend zuvor überhaupt keine Verletzten gegeben, behauptet der Mann. Polizei und Rotes Kreuz hatten indes gegenüber den Medien von mehreren Leichtverletzten gesprochen. Auf der Facebookseite einer anderen Zeitung war bereits am Freitagabend – ohne Angabe einer Quelle – von einem Schwerverletzten zu lesen. Doch die Fernsehleute sind nicht wegen der Auseinandersetzung am Freitagabend da. Sie drehen für einen bereits länger geplanten Beitrag des Medienmagazins Zapp über die vielen Gerüchte, die es über die Flüchtlinge in Meßstetten gibt.

Sie wollen von Landwirt Huber, dessen Anwesen an der LEA grenzt, wissen, wie er damit umgeht, dass bei ihm angeblich der Kopf eines Flüchtlings gefunden wurde und Körperteile in einer Mülltonne, die er an die Straße gestellt hatte. Auch wie unsere Zeitung in den sozialen Netzwerken mit all diesen Gerüchten umgeht, interessiert Bastian Berbner aus der NDR-Redaktion Innenpolitik; wie wir ihnen hinterherrecherchieren etwa. Am Morgen war er bereits bei der Polizei, auch dort können sie ein Lied davon singen. Bei Landwirt Huber hat die Massenschlägerei am Freitagabend keine Spuren hinterlassen. „Mir ist die LEA hier hundertmal lieber als ein Gefängnis, nur die Gerüchte nerven eben“, sagt er. „Das ist alles totaler Quatsch.“

Weniger auskunftsfreudig sind die Meßstetter Bürger am Samstag, klagt NDR-Reporter Berbner. Die Auseinandersetzung ist Thema in der Stadt, aber vor der Kamera wollen die Leute nicht so gerne mit ihm reden – auch wenn der Vorfall in der LEA in den Medien kein großes Thema mehr ist. Die Redaktionen haben sich längst auf die Attentate in Paris gestürzt. Am Samstagmittag zieht Dietmar Dieter, Pressesprecher des Roten Kreuzes im Zollernalbkreis, Bilanz: Elf Personen habe es am Freitagabend zu versorgen gegeben, teilt er mit. Die meisten haben Reizgas abbekommen, zwei wurden zur näheren Untersuchung in die Klinik gebracht. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, erließ das Amtsgericht Hechingen Haftbefehl gegen einen 40 Jahre alten Asylbewerber. 

Der Einsatz am Freitagabend hatte im ganzen Landkreis für Aufsehen gesorgt. Aus allen Richtungen hatten sich Streifenwagen der Polizei auf den Weg nach Meßstetten gemacht. Spät sei die Verstärkung vor Ort eingetroffen, berichtet ein Flüchtling am Samstag, der die Tumulte aus der Ferne beobachtet hatte. Die Security sei sehr hart vorgegangen, so seine Beobachtung. Für Aufsehen hatte auch das Großaufgebot an Einsatzfahrzeugen des Roten Kreuzes gesorgt. Im Netz kamen schnell Zweifel auf, ob die Berichterstattung der Medien, auch unsere, stimme. Viele vermuten ein viel schlimmeres Ausmaß als von den Medien berichtet. Ihre These: Das Rote Kreuz komme nicht umsonst mit einer solchen Vielzahl an Einsatzkräften. Tatsächlich habe man aber aufgrund der zunächst unklaren Lage eine Vielzahl an Kräften nach Meßstetten geschickt, erklärt DRK-Sprecher Dietmar Dieter. Die Fahrzeuge würden in einem solchen Fall vorsorglich in Bereitschaft gebracht, damit die Helfer im Falle des Falles sofort reagieren und aufs Gelände nachgezogen werden können.

Ehrenamtliche Helfer äußern derweil im Netz ihren Unmut über die starke Überbelegung der LEA, wodurch es zu Spannungen komme. Auf vorbehaltloses Verständnis stoßen die Helfer hierfür bei Landrat Günther-Martin Pauli. „Die Überbelegung ist nicht mehr hinnehmbar, 3000 Flüchtlinge in der LEA sind einfach zu viel“, erklärte er am Morgen nach dem Großeinsatz Rande der Eröffnung der Messe „Familie Zollernalb“. Das Problem sei, dass auch eigentlich als Aufenthalts- und Sozialräume gedachte Zimmer längst als Schlafstätten benutzt werden.

„Die Politik ist nun am Zug, etwas dagegen zu tun, ich werde heute noch versuchen, mit dem Tübinger Regierungspräsidenten zu sprechen“, so Pauli. Unter der Situation litten auch die Flüchtlinge selbst, vor allem Familien und Kinder. Gerade diesen Hilfsbedürftigen wolle er solch eine Situation nicht noch einmal zumuten. Ebenso wenig den Einsatzkräften und den vielen Helfern vor Ort. Was man dringend brauche, sei geschultes Personal. Auch hier müssten Bund und Land endlich reagieren. „Ansonsten befürchte ich, dass der Zorn in der Bevölkerung größer wird und die Stimmung in Sachen Flüchtlingsaufnahme kippt“, so Pauli.

 

Diesen Artikel teilen: