Balingen

Fleisch wird zum Luxusgut

25.09.2014

von Michael Würz

„Schatz, kommst du? Das Essen wird welk.“ Witze wie diesen müssen sich Vegetarier und Veganer häufig anhören. Doch das Bild wandelt sich auch im ländlichen Raum stark, sagt Spitzenkoch Björn Moschinski.

Fleisch wird zum Luxusgut

© Michael Würz

Auf einen Abstecher in die Balinger Innenstadt: Björn Moschinski, veganer Spitzenkoch, Restaurantbesitzer und Autor viel beachteter Kochbücher.

Ihre Gründe sind vielfältig: Viele wollen die Massentierhaltung nicht mehr unterstützen. Die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen ihres Essverhaltens rücken ins Bewusstsein der Konsumenten. Und nicht zuletzt haben die Fleischskandale in den vergangenen Jahren vielen den Appetit gewaltig verdorben. Immer mehr Menschen verzichten daher auf Fleisch. Und auch die Zahl der Veganer, also Menschen, die keinerlei tierische Produkte konsumieren, steigt. Verzichten, dieses Wort mag Björn Moschinski nicht. „Das Problem ist, dass die meisten Leute gar nicht wissen, was vegan genau bedeutet“, sagt der bekannteste Koch der veganen Szene.

Und dennoch: „Der Veganismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, ist er sicher. Große Konzerne reißen sich um ihn. Bevor er am Donnerstag bei einem Showkochauftritt in Balingen vegane Köstlichkeiten zauberte, verblüffte er die Köche in der Kantine bei Bayer. Auch Daimler und die Deutsche Bahn buchen den jungen Koch, der seit seinem 16. Lebensjahr vegan lebt. „In den Unternehmen gibt es immer mehr Veganer.“ Moschinski – dessen Markenzeichen Dreadlocks und Kopftuch sind – bildet die Köche alter Schule dort aus. Unterdessen hat er im vergangenen Jahr in Berlin sein zweites Restaurant eröffnet. Eine renommierte amerikanische Zeitschrift listet sein veganes Nobelrestaurant Mio Matto neben zahlreichen Sterne-Restaurants als Geheimtipp in Deutschland. Bereits sein erstes Restaurant, das Kopps, hatte es unter anderem mit veganen schwäbischen Maultaschen zu Ruhm gebracht.

„Veganern schmeckt die gut-bürgerliche Küche, aber für tollen Geschmack muss man keine Tiere töten“, sagt Moschinski, der sich bei seinem Abstecher in Balingen wohltuend von Attila Hildmann abhebt, der mit seinen veganen Kochbüchern zuletzt mehrere Kassenschlager gelandet hatte. Hildmann wird dieser Tage gern von Fernsehstudio zu Fernsehstudio gereicht, vor allem, weil er – sobald irgendwo eine Kamera läuft – den Veganismus großspurig zum Allheilmittel erklärt und durch provokante Thesen auffällt. Dennoch hat Björn Moschinski keine Zweifel daran, dass die vegane Lebensweise in Zukunft ein großes Thema sein wird – und Fleisch eines Tages ein Luxusgut. „Die Menschen erkennen die vielen Probleme, die mit dem enormen Fleischkonsum einhergehen“, sagt er. Dabei sei es nicht nur die jüngere Generation, die sich zunehmend mit ihrem Ess- und Konsumverhalten auseinandersetzt. „Wenn im Alter die ersten Wehwechen kommen, fragen sich viele Leute, ob das alles so gut ist, was sie da essen“, sagt Moschinski, während er eine riesige Portion vegane Bolognese für das Publikum seiner Kochshow in Balingen anrührt. 

Und was interessiert seine Fans am meisten, wenn er in kleineren Städten wie Balingen zu Gast ist? „Die meisten wollen wissen, wo sie welche Produkte bekommen“, erzählt er. Doch Moschinski hat gute Nachrichten für Veganer jenseits der Großstädte: Die Nachfrage nach veganen Produkten habe stark zugenommen. „Egal, ob Rewe, Edeka, Kaufland – die Ketten erkennen auch auf dem Land die gesteigerte Nachfrage und stellen sich darauf ein.“ Nicht zuletzt, weil inzwischen in den Führungsetagen Veganer sitzen.

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